Zwischen Integration und Selektion – parallele Leistungsverträge in der Arbeitsintegration

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Gleichzeitig über mehrere Leistungsverträge zu verfügen, bietet Sozialen Dienstleistern grössere finanzielle Stabilität und erlaubt ihnen, für eine grössere Anzahl Klient*innen weitreichendere Dienste anzubieten. Parallele Leistungsverträge führen aber auch zu einer Selektion der Klient*innen.

Im Rahmen der Studie «New Public Policy Financing Models: Innovative or Ineffective?» untersuchte die BFH zwei Programme eines Dienstleisters im Bereich der Arbeitsintegration von Geflüchteten. Beim einen, herkömmlich finanzierten Programm wird der Dienstleister pro Einzelleistung je Teilnehmer*in ausbezahlt. Beim zweiten Leistungsvertrag handelt es sich um einen Sozialen Wirkungskredit – einen sogenannten Social Impact Bond. Hier stellt ein gewinnorientierter Investor oder eine Stiftung Geld für ein Sozialprojekt zur Verfügung und wird vom Staat für dessen Erfolg ausbezahlt. Je nachdem wie weit die vorgängig definierten Programmziele erreicht werden, ergibt sich für den Investor ein Gewinn oder ein Verlust.

Im untersuchten Fall ist…

  • der Dienstleister beim Sozialen Wirkungskredit an ein Bonus/Malus-System gebunden, das sich auch an der Erreichung der Zielvorgaben ausrichtet.
  • der Soziale Wirkungskredit pro Klient*in finanziell besser ausgestattet als das herkömmlich finanzierte Programm.
  • der Soziale Wirkungskredit in einem mehrjährigen Vertrag geregelt, während der Leistungsvertrag des herkömmlich finanzierten Programms jährlich erneuert wird.

Der Dienstleister verfügt über die Möglichkeit, Klient*innen aus dem herkömmlich finanzierten Programm in den Sozialen Wirkungskredit zu wechseln und umgekehrt. Aufgrund der obigen Aufzählung besteht für den Dienstleister der Anreiz, möglichst viele Klient*innen mit mittlerer bis hoher Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt in den Sozialen Wirkungskredit aufzunehmen. Zudem wurde der Soziale Wirkungskredit so festgelegt, dass keine Aufnahme von Klient*innen mit tiefer Vermittlungsfähigkeit vorgesehen ist.

Parallele Leistungsverträge führen zu Selektion

Das herkömmlich finanzierte Programm wurde bereits in früheren Jahren angeboten. Ein Vergleich des Klient*innen-Pools vor und nach Einführung des Sozialen Wirkungskredits zeigt, dass einerseits die Anzahl Klient*innen insgesamt zunahm. Andererseits blieben die Eigenschaften der Klientel – etwa Ausbildungs- und Sprachniveau – über den gesamten Zeitraum relativ stabil.

Mit der Einführung des Sozialen Wirkungskredits ergibt sich jedoch eine Selektion innerhalb des Klient*innen-Pools. So werden Personen mit höherem Ausbildungsniveau und besseren Kenntnissen der lokalen Sprache vermehrt im Sozialen Wirkungskredit aufgenommen.

 

Keine stärkere Unterstützung einer Gruppe nachweisbar

Obwohl der Soziale Wirkungskredit finanziell grosszügiger ausgestattet ist, kann mit den zur Verfügung stehenden Informationen nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass dessen Teilnehmende auch stärker unterstützt werden. Denn Teilnehmende im herkömmlich finanzierten Programm…

  • besuchen gleich häufig einen Sprachkurs.
  • besuchen sogar öfter Basis-PC-Kurse oder Gesprächstrainings.
  • führen mehr Gespräche mit ihren Jobcoaches.

Von Interviews mit Jobcoaches wissen wir jedoch, dass zum Beispiel die Sprachkurse beim Sozialen Wirkungskredit intensiver sind – teurere, externe Sprachkurse, mit kleinerer Klassengrösse, die mehrmals pro Woche stattfinden. Zudem ist der Vergleich auf jene Massnahmen beschränkt, die in beiden Programmen angeboten werden.

Weitere Beobachtung nötig

Mehrere gleichzeitige Leistungsverträge für dieselbe Klient*innen-Gruppe führen bei unterschiedlichen finanziellen Anreizen zu einer Selektion. Ob die gleichzeitigen Programme in der Arbeitsintegration insgesamt zu besseren Ergebnissen führen, muss noch geklärt werden. Öffentliche Stellen und Soziale Dienstleister müssen sich jedoch der Auswirkungen paralleler Leistungsverträge bewusst sein und die Entwicklung bei ihren Leistungsverträgen insgesamt im Auge behalten.

 


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