MINT-Fachkräfte sind gesucht und entsprechend wählerisch bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen finden Unternehmen nicht nur neue Fachkräfte, sondern halten ihre bewährten Mitarbeitenden im Betrieb. Das Forschungsprojekt „Employing the New Generation“ des BFH-Zentrums Soziale Sicherheit und der Hochschule Luzern zeigt auf, unter welchen Bedingungen MINT-Fachkräfte im Betrieb bleiben.
Um dem Fachkräftemangel im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT-Berufe) zu begegnen, wurden in letzter Zeit einige Initiativen entwickelt, um Schülerinnen und Schüler für technische Fächer zu begeistern und für entsprechende Ausbildungsgänge zu motivieren. Doch der Weg vom Kindergarten zur Volksschule, durch Lehre oder über Fachhochschule und Uni in den Beruf dauert an die 15 Jahre. Unternehmen, die heute Fachkräfte suchen, können nicht so lange warten.
Naheliegender ist es deshalb, bereits ausgebildete, spezialisierte Fachkräfte im Betrieb zu halten, statt diese ziehen zu lassen und auf dem ausgetrockneten Markt neue zu gewinnen. Die Berner Fachhochschule und die Hochschule Luzern haben deshalb in einem gemeinsamen Projekt untersucht, wie gross die Kündigungsbereitschaft der MINT-Fachkräfte ist und welche Bedingungen die Kündigungsbereitschaft senken oder erhöhen.
In einer Online-Befragung wurden rund 600 MINT-Fachkräfte aus diversen Branchen und einem breiten Spektrum von Berufen befragt, davon gut ein Fünftel Frauen, zur einen Hälfte bis 30 Jahre alt, zur anderen Hälfte älter.
Wie gross ist die Kündigungsbereitschaft?
Die gute Nachricht zuerst: Fast die Hälfte der Befragten beabsichtigt unbefristet im Unternehmen zu bleiben, 16 % sind sich nicht ganz so sicher. Die schlechte Nachricht: 23 % beabsichtigen, in den nächsten 12 Monaten nach einer Stelle ausserhalb des Unternehmens Ausschau zu halten, weitere 12 % sind unentschlossen. Der hohe Anteil von Unsicheren und Unentschlossenen eröffnet den Unternehmen einen grossen Spielraum, diese durch entsprechende Massnahmen zum Bleiben zu gewinnen.
Wer denkt ans Wechseln?
Am Geschlecht und Alter lässt sich die Absicht, nach einer neuen Stelle Ausschau zu halten, nicht festmachen. Hingegen wollen Männer über Dreissig häufiger als erwartet unbefristet bei ihrem Arbeitgeber bleiben, jüngere Männer verneinen dies eher. Frauen, sowohl jüngere als auch ältere, wollen sich häufiger als erwartet nicht festlegen.
Welche Erwartungen haben Mitarbeitende an Ihren Arbeitgeber?
In der Studie konnte der Zusammenhang zwischen psychologischen Vertragserwartungen, deren Erfüllung durch den Arbeitgeber, Arbeitszufriedenheit und Kündigungsbereitschaft aufgezeigt werden. Die absolut zentrale Erwartung fast aller Befragten an den Arbeitgeber ist der Wunsch nach interessanten Arbeitsinhalten sowie der Unterstützung der eigenen Kompetenz- und Laufbahnentwicklung. Gross ist auch der Wunsch nach Sicherheit und Zugehörigkeit. Erwartet wird eine förderliche Unternehmenskultur, sowie dass sich der Arbeitgeber loyal gegenüber seinen Angestellten verhält und langfristige Beschäftigungsperspektiven anbietet.
Als erfüllt erleben diese Ansprüche hingegen nur rund zwei Drittel der befragten MINT-Fachkräfte. Je grösser der erlebte Unterschied, desto weniger zufrieden sind sie mit ihrer Arbeit und umso höher ist ihre Kündigungsbereitschaft. Unabhängig von Alter und Geschlecht beabsichtigen 70 % derjenigen, die von ihrem Arbeitgeber nicht die erwarteten Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, in den nächsten 12 Monaten nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau zu halten. Hingegen beabsichtigen dies nur 6 % derjenigen, deren Arbeitgeber die Erwartungen erfüllt oder sogar übertrifft.
Fehlt das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit, denken 60 % ans Wechseln, wenn die Erwartungen erfüllt oder übertroffen werden, sind dies bloss 12 %. Flexible Arbeitszeiten werden generell als selbstverständlich vorausgesetzt. Jüngere MINT-Fachkräfte drücken das Bedürfnis nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit aus, indem sie u.a. die Kompensation von Überstunden hoch gewichten. MINT-Fachkräften über dreissig ist Flexibilität im Hinblick auf Teilzeit und Homeoffice wichtiger, insbesondere wenn sie in einer Partnerschaft leben.
Wie können die Betriebe ihre Fachkräfte halten?
Eine wirksame Personalbindung setzt die systematische Analyse wichtiger Erwartungen der Mitarbeitenden voraus, aus welcher im Anschluss gezielte Massnahmen abgeleitet werden können. Dabei ist davon auszugehen, dass Frauen und Männer, ältere und jüngere, im Mittel dieselben Erwartungen teilen. Stereotypische Zuschreibungen werden daher den individuellen Erwartungen nicht gerecht. Im Fokus der Bindung von MINT-Fachkräften steht die Erhaltung der Arbeitszufriedenheit durch abwechslungsreiche Aufgaben mit einer längerfristigen Perspektive und der systematischen Unterstützung bei der individuellen Kompetenz- und Laufbahnentwicklung bei attraktiven Arbeitszeitmodellen.
Kontakt:
Berichte und Artikel:
- Kels P., Gurtner A., Scherrer S. (2016) : Employing the New Generation. Personalgewinnung und Führung der Generation Y in MINT-Berufen, Studienbericht, Hochschule Luzern und Berner Fachhochschule
- Marcel Oertig, Andrea Gurtner, Peter Kels (2015): Die Macht des psychologischen Vertrags, in HR Today 10/2015
Partner und Informationen:
Literatur und weiterführende Links:
- Gurtner, Andrea & Kels, Peter (2016). Arbeitgeberattraktivität aus Sicht von MINT-Fachkräften. Personal Quarterly 04/16, S.30-37.
- Kels, Peter; Gurtner, Andrea & Dievernich, Frank E.P. (2015). Nachwuchssicherung im Kontext von Fachkräftemangel und Generation Y. In Zölch, M. & Mücke. A. (Hrsg.). Fit für den demografischen Wandel? Ergebnisse, Instrumente, Ansätze guter Praxis. Bern: Haupt, S. 271.288.
0 Kommentare