Wenn zerstrittene Eltern in die Mediation müssen

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Kind und streitendes Elternpaar im Hintergrund

Wenn Eltern sich trennen, muss die Kinderbetreuung oft neu gestaltet werden. Nicht selten kommt es dabei zu heftigen Konflikten. In diesem Moment ist es manchmal nicht möglich, die Eltern freiwillig an einen Tisch zu bringen. Die angeordnete Mediation bietet hier einen Ausweg. Die Erfahrungen damit sind jedoch unterschiedlich.

Dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) getrennte Elternteile zu einer Mediation verpflichten, kommt in der Schweiz eher selten vor. Jedoch nahmen solche Massnahmen in den letzten Jahren stetig zu. Mit dem Forschungsprojekt «Angeordnete Mediation im zivilrechtlichen Kindesschutz» des BFH-Zentrums Soziale Sicherheit konnte nun ein erster systematischer Überblick für die deutschsprachige Schweiz gewonnen werden. Dafür wurden Interviews mit Mediatorinnen und Mediatoren sowie KESB-Mitarbeitenden durchgeführt und qualitativ ausgewertet.

Mediationsregeln können gebrochen werden

Wie in angeordneten Mediationen gearbeitet wird, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Im Vergleich zu klassischen Mediationen wird bei angeordneten Mediationen oftmals direktiver vorgegangen und sofern es der Situation hilft, werden die üblichen Regeln der Mediation  – Neutralität, Vertraulichkeit, Offenheit, Selbstbestimmung und Freiwilligkeit – nicht durchgehend eingehalten. Ebenfalls werden angeordnete Mediationen häufig mit anderen Angeboten wie Kommunikationstraining, Elterncoaching oder psychologischer Beratung kombiniert.

„Ich verlasse jede Regel der Mediation, die ich je gelernt habe, zugunsten einer guten Entwicklung.“ (Ein/e Mediator/in)

Bei diversen befragten Expertinnen und Experten ist es ein Muss, angeordnete Mediationen in Zweierteams durchzuführen. Andere sehen die Co-Mediation als mögliche Erweiterung. Wenn jedoch eine Co-Mediation durchgeführt wird, ist das Team stets geschlechtergemischt zusammengesetzt. Ob der Einstieg in die Mediation mit beiden Konfliktparteien gemeinsam oder je einzeln stattfindet, wird meist situativ entschieden, da es sowohl Gründe für die eine als auch für die andere Variante gibt. Auch für die Dauer einer Mediationssitzung gibt es verschiedene Modelle. Während ein Mediator keine Zeitüberschreitungen bei den Sitzungen zulässt, erzählt ein anderer Mediator von offenen Sitzungen.

„Und wir hören immer dann auf, wenn es gerade gut ist.“ (Ein/e Mediator/in)

Im Zentrum stehen die Kinder

Das Kindswohl steht in Zentrum der angeordneten Mediation, weswegen die Meinung des Kindes äusserst relevant ist. Der Einbezug der Kinder wird dennoch unterschiedlich gehandhabt. Bei mehreren Mediatorinnen und Mediatoren werden die Kinder häufig miteinbezogen. Auch diverse Behördenmitglieder erachten den Einbezug der Kinder als wichtig. Jedoch gibt es auch Mediationen, bei denen der Einbezug der Kinder kaum ein Thema ist.

„Wenn es eine Belastung für das Kind darstellt, dann bringt es nichts.“ (Ein/e KESB-Mitarbeiter/in)

Ob es sinnvoll ist, die Kinder miteinzubeziehen, wird meistens an zwei Punkten festgemacht:

  • Das Alter der Kinder: Vor allem Kleinkinder sind für einen Einbezug in die Mediation eher nicht geeignet. Dies liegt daran, dass sie sich noch nicht gut positionieren können. Dies wäre jedoch relevant für einen erfolgreichen Einbezug.
  • Die Themen der Mediation: Falls die Mediation sich vor allem Paarthemen widmet, ist es auch weniger sinnvoll, das Kind miteinzubeziehen. Diese Themen oder Konflikte haben nicht direkt mit dem Kind etwas zu tun. Ausserdem könnte ein Einbezug das Kind zusätzlich belasten.

Erfolg in der angeordneten Mediation

Im Idealfall führt die angeordnete Mediation zu einer Vereinbarung – beispielsweise zu einer neuen Besuchsrechtsregelung. Auch eine Teilvereinbarung wird grundsätzlich als Erfolg gewertet. Die befragten Behördenmitglieder sowie Mediatorinnen und Mediatoren sind sich jedoch einig, dass es in der Realität oft nicht möglich ist, eine angeordnete Mediation mit einer konkreten Vereinbarung abzuschliessen.

„Es muss nicht unbedingt eine Lösung, im Sinne eines pfannenfertigen Besuchsplans, aus einer Mediation herausschauen. Wenn die Kommunikationskanäle zwischen den Eltern […] wieder ein wenig geöffnet werden können […], dann ist das für uns schon ein massiver Erfolg.“ (Ein/e KESB-Mitarbeiter/inR)

Erfolg wird also auch an anderen Kriterien festgemacht. Diese können grob auf drei Ebenen verortet werden:

  • Die Eltern können wieder die Verantwortung für sich und ihre Kinder übernehmen.
  • Den Kindern geht es wieder gut bzw. die Gefährdung des Kindeswohls ist reduziert.
  • Die Situation hat sich allgemein durch kleine nachhaltige Veränderungen beruhigt – z.B. durch einen Wechsel in ein freiwilliges Setting.

Was bringt die Zukunft

Wie sich das Feld der angeordneten Mediation in Zukunft entwickelt, ist noch unklar. Falls die Behörden mit ihren Anordnungen positive Erfahrungen machen, so wird sich dieses Instrument weiter etablieren. Zudem sind die Konfliktfelder im Kindesschutz – gerade wegen der alternierenden Obhut – prädestiniert, auf mediative Weise geregelt zu werden. Hier hat die angeordnete Mediation als relativ neues Instrument grosses Potenzial, weil sie Themen bearbeitet, die nicht mit einem Gerichtsurteil lösbar sind.

Der Zeitpunkt der Anordnung ist ebenfalls ein wichtiger Punkt für die zukünftige Entwicklung. Die Mediatorinnen und Mediatoren beurteilen das Erfolgspotenzial umso grösser, je früher die Mediation angeordnet wird. Dies könne im Optimalfall dazu führen, dass später keine weiteren Massnahmen angeordnet werden müssen.

 


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1 Kommentare
  • Mara

    Antworten

    Es ist schon traurig, wie stark die Kinder bei einer Trennung leiden und die Erwachsene das einfach übersehen.

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