Wenn Patienten das Pflegepersonal bedrohen

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Aggression und Gewalt machen auch vor Spitälern und Gesundheitspersonal nicht halt. Dies stellt nicht nur eine gesundheitliche Gefahr für die Belegschaft dar, sondern bedroht auch die Arbeitszufriedenheit in den Spitälern und die Sicherung der Personalbestände.

In der Romandie und der Deutschschweizer Fachwelt warf der Fall einige Wellen: Nachdem im Genfer Universitätsspital die Gewalt gegenüber dem Personal in den letzten Jahren und Monaten startk zugenommen hatte, reagierte die Spitalleitung kürzlich mit einer Sensibilisierungskampagne und verstärkte den juristischen und psychologischen Beistand für ihre Angestellten.

Aggression gegen Personal gehört zum Spitalalltag

Körperliche sowie verbale Aggression und Gewalt von Patientinnen, Patienten oder Angehörigen gegen das Gesundheitspersonal gehören leider zum Alltag. Nach Polizei und Sicherheitsleuten sind Gesundheitsfachpersonen am dritthäufigsten von Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz betroffen. Gemäss der International Labour Organisation findet insgesamt ein Viertel aller Aggression am Arbeitsplatz im Gesundheitswesen statt. Die Aggressionen reichen von Beschimpfungen, obszönen Bemerkungen oder Drohungen über Bisse und Schläge bis hin zum Einsatz von Stichwaffen.

Doch welche Auswirkungen hat dies auf die Gesundheitsfachleute und wie gehen sie mit der Aggression um, mit der sie in ihrem Beruf konfrontiert sind? Eine Umfrage, welche die Berner Fachhochschule im Rahmen der noch unveröffentlichten Studie „Konfliktsituationen in somatischen Akutspitälern“ in zwei grossen, deutschen Kliniken im Jahr 2015 durchgeführt hat, beschäftigte sich mit dieser Frage.

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Abbildung 1: Von Angstellten zweier deutschen Kliniken erlebte verbale Aggression (n=612)

Insgesamt wurde 47% des befragten Gesundheitspersonals in den letzten 12 Monaten vor der Befragung verbal von Patientinnen und Patienten angegriffen. Der Anteil der Personen, die Angriffe durch Angehörige erlebt hat, liegt mit 45% minim darunter. Dabei bleibt es selten bei einem Ereignis: 6% resp. 4% der Befragten berichten von mehr als 20 Vorfällen innerhalb von 12 Monaten. Entsprechend machen diese Personen auch folgende Aussagen über die Situation an ihrem Arbeitsplatz:

„Verbale Aggression gehört schon zum Alltag. Man kann täglich damit konfrontiert werden.“

„Man hat noch nichts gemacht, kommt ins Zimmer und wird schon gleich erstmal beschimpft.“

Körperliche Gewalt erlebten die Umfrageteilnehmenden deutlich seltener. In den vorhergehenden 12 Monaten erlebten in den untersuchten Spitäler insgesamt 18% des Gesundheitspersonals körperliche Gewalt seitens der Patientinnen oder Patienten, seitens der Angehörigen waren es 5%. Aber auch diese Resultate sind besorgniserregend, kann doch körperliche Gewalt für die betroffene Person schwerwiegende physische und psychische Folgen haben.

Aggression von psychisch gesunden Menschen ist deutlich belastender

Die emotionalen Auswirkungen von verbaler oder körperlicher Aggression erlebt das Personal mehrheitlich als mässig belastend. Ein Viertel des Personals stuft die emotionale Belastung jedoch als stark oder sehr stark ein.

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Abbildung 2: Psychische Belastung der Angstellten durch die erlebten Aggressionen

Viele der befragten Personen gaben an, dass es für sie einen Unterschied mache, ob die Aggression von psychisch gesunden oder beeinträchtigten Patientinnen bzw. Patienten ausgehe. Demnach bewerteten viele Fachpersonen die Aggression als weniger belastend, wenn die Aggression aufgrund einer Krankheit ausgelöst wurde und für sie somit erklärbar ist. Die Aggression seitens psychisch gesunden Patientinnen und Patienten, welche meist persönlich auf die eigene Person abzielte, beschrieben die Teilnehmenden als vergleichsweise belastender.

„Ich versuche das immer ein bisschen zu differenzieren. Bei einem Patienten mit Blutungen oder aus der Neurochirurgie ist dies auf die Krankheit zurückzuführen. Aber was ich persönlich schlimmer finde sind Patienten, die “kopfmäßig“ nichts haben und dann Aggressionen an den Tag legen oder gerade auch Angehörige… Also das geht mir persönlich ein bisschen näher.“

Die Folgen für das Personal und die Institution werden unterschätzt

Aggressionsereignisse schaden jedoch nicht nur der betroffenen Fachperson sondern auch der Institution. Neben körperlichen Verletzungen leiden die Betroffenen häufig auch an psychischen Belastungen wie Schlaf-, Konzentrations- und Angststörungen oder gar an posttraumatischen Belastungsstörungen. Dies spüren auch die betroffenen Spitäler. Neben krankheitsbedingten Absenzen sind die sinkende Arbeitszufriedenheit und die damit verbundene Kündigungsabsicht eine ernstzunehmende Angelegenheit – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

Der durch die Direktion der Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG) initiierte Dialog ist daher eine erfreuliche Seltenheit, wünschte sich das in der Studie befragte Personal neben zusätzlichen Fachkräften genau eine solche Reaktion und die damit verbundenen Massnahmen:

„Was ich mir dann auch manchmal wünschen würde, dass von höherer Ebene einfach mal zu dem Patienten gesagt wird, so bitte nicht. Dass nicht nur gesagt wird, ach ja, Kundenzufriedenheit.“

Deeskalationstrainings könnten die Lage beruhigen

Bei Aggressionen gegen Gesundheitspersonal fehlen in der Schweiz leider ein systematisches Vorgehen und eine einheitliche Erfassung von Übergriffen, welche zur Analyse des Problems und den weiteren Diskurs benötigt würden. Eine Möglichkeit der Gewalt an Spitälern zu begegnen sind Deeskalationstrainer, die verschiedene Gesundheitsorganisationen in der Schweiz zur Unterstützung des Personals im Einsatz sind. Diese haben das Ziel Konflikte bereits frühzeitig zu erkennen und Aggressionen vorzubeugen.

 


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1 Kommentare
  • Spital Berater

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    Vielen Dank für den informativen Beitrag. Hier kann eine Unternehmensberatung im Gesundheitswesen die Krankenhäuser mit einer Spitalberatung stark unterstützen. Zum Beispiel können kostensparend Mitarbeiter eingesetzt werden, die das Krankenhauspersonal entlasten und Deeskalierend wirken.

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