Der Übergang nach Hause bedeutet für zu früh geborene Kinder und ihre Familien nach der spezialisierten und intensiven Betreuung in der Neonatologie eine Herausforderung. Das Projekt «Transition to Home» untersucht ein neues und schweizweit einzigartiges Gesundheitsversorgungsmodell, welches den Start in den Alltag erleichtern und sicherer gestalten soll.
In der Schweiz wird nahezu jedes zehnte Kind zu früh geboren. Frühgeborene Kinder werden länger und intensiv im Spital betreut und in ca.35 % der Fälle sogar ein- oder mehrmals rehospitalisiert. Dies führt zu einer grossen Belastung der ganzen Familie und zu einer Herausforderung für das Spital sowie zu hohen Gesundheitskosten. Nach einer zu frühen Geburt finden die Eltern nicht selbstverständlich in ihre Rollen. Eine Studie zur Elternschaft nach einer Frühgeburt zeigt das individuelle Erleben von Müttern und Vätern nach einer Frühgeburt. Zur Stabilisierung des Familiensystems muss eine grosse emotionale Arbeit geleistet werden, damit die Eltern Selbstvertrauen gewinnen und die Hürden ihrer Elternrolle überwinden können. Dafür sollten auch alle an der Betreuung von Familien mit frühgeborenen Kindern beteiligten Berufsgruppen sensibilisiert werden. Ebenso wurde bereits 2012 aufgezeigt, dass der Übergang zwischen der Hospitalisation und dem Familienleben zuhause optimiert werden kann. Aus diesen Erkenntnissen ist die Grundlage für das neue, schweizweit einzigartige Versorgungsmodell entstanden. Es handelt sich dabei um ein familienzentriertes Modell, bei welchem die Angebote durch eine Advanced Practice Nurse (APN) koordiniert und die Familien kontinuierlich betreut und begleitet werden. Die Massnahmen, die das Modell den Familien anbietet, dienen als Hilfe zur Selbsthilfe.
Zu früh geboren – eine Herausforderung für Kind und Familie
Seit Anfang April 2017 läuft die Machbarkeitsphase des gemeinsamen Forschungsprojekts der Berner Fachhochschule mit der Universitätsklinik für Kinderheilkunde am Inselspital. Zwei Familien, deren Kinder zu früh zur Welt kamen, werden dabei von einer Advanced Practice Nurse (APN) begleitet, betreut und beraten. Die APN ist eine Pflegefachperson, die aufgrund ihrer akademischen Ausbildung erweiterte Rollen in der Pflege übernehmen kann. Dazu gehören die Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten oder die führende Rolle im Case Management. Neben den Kindern profitieren auch die Eltern von der Begleitung durch die APN. Sie wird zu einer wichtigen Bezugsperson in einer von vielen Unsicherheiten und Fragen geprägten Phase. Im neuen Gesundheitsversorgungsmodell umfasst die Rolle der APN auch die Koordination der verschiedenen Therapien und Behandlungen, die für ein frühgeborenes Kind individuell angepasst werden müssen. Sie arbeitet dabei eng mit den verschiedenen Fachpersonen zusammen, die in die Betreuung der Familien eingebunden sind. Eine funktionierende interprofessionelle Zusammenarbeit auch nach dem Spitalaustritt ist ein elementarer Beitrag zum Gelingen einer optimierten Betreuung und Begleitung von Familien mit einem frühgeborenen Kind.

Interprofessionelles Rundtischgespräch mit den Eltern
Begleitforschung
Damit die Wirksamkeit des neuen Versorgungsmodells aufgezeigt werden kann, wird die Umsetzung in die Praxis durch ein Forschungsteam evaluiert. Dabei sollen 18 Familien in den ersten 6 Monaten nach Austritt aus dem Spital von einem Team mit APNs begleitet werden, währenddessen 18 weitere Familien als Kontrollgruppe die herkömmliche Behandlung erhalten. Wie ein Erfahrungsbericht aus der Machbarkeitsphase zeigt, gibt die Begleitung und Beratung durch die APN den Eltern der zu früh geborenen Kinder Sicherheit. Dadurch, dass die APN die Kinder und ihre Familien bereits kurz nach der Geburt kennenlernt, kann eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut und eine kontinuierliche Betreuung gewährleistet werden. «Wir wissen nicht, wie es ohne diese Begleitung wäre. Obwohl zuhause glücklicherweise keine schwerwiegenden Probleme auftauchten, ist es für uns hilfreich, dass die Betreuung durch Séverine S. und ihre Kolleginnen nach dem Spitalaustritt weitergeht,» so die Erfahrung von Nina O., die mit ihrer Familie bereits am Projekt teilnehmen konnte.
Kontakt
Projekt & Partner
- Transition to Home – Ein Projekt für frühgeborene Kinder und ihre Familien
- Inselspital Bern: Universitätsklinik für Kinderheilkunde
Literatur und weiterführende Links
- Bucher HU, Killer C, Ochsner Y, Vaihinger S, Fauchere JC. Growth, developmental milestones and health problems in the first 2 years in very preterm infants compared with term infants: a population based study. Eur J Pediatr 2002;161:151-6.
- Diviani-Preiswerk, S: Beobachten, Begleiten, Beraten – Ein nicht alltäglicher Hausbesuch, Berner Fachhochschule BFH
- Schuetz Haemmerli, N, Lemola, S. & Cignacco, E. Elternschaft nach einer Frühgeburt: Verlust und Wiedergewinn einer Selbstverständlichkeit. Hebamme.ch; 6/2013: 10-13.
1 Kommentare
Thomas R.
Unser Sohn kam 1999 nach 28 Wochen als Frühchen auf die Welt. Er verblieb noch zwei Monate im Spital, davon einen im Brutkasten. Es war eine Zeit mit vielen Unsicherheiten, aber genauso viele Freuden.
Heute ist er 18, macht einr kaufmännische Ausbildung, absolvierte vor kurzem die Fahrprüfung und spielt in der höchsten Junioren-Liga Eishockey. Er ist fast 1.90 gross und wiegt 86 Kilo.
Wir sind dem Uni-Spital (Neo) und dem Team auf der Station unendlich dankbar für die Unterstützung vor 18 Jahren, sowohl für unseren Sohn wie auch für uns.
Ich hoffe, diese Zeilen geben allen Eltern, die in der gleichen Situation sind wie wir damals, Hoffnung, dass alles gut kommt.