Im hohen Alter ist der Weg vor die Tür mit vielen Hürden verbunden. Das behindert auch den Zugang zu Gesundheitsangeboten. In einem Pilotprojekt soll nach Ende der Corona-bedingten «ausserordentlichen Lage» ein Versuch mit sogenannten Mobilitätslotsen gestartet werden.
Hochaltrige Personen sind für die Mobilität von Tür zu Tür häufig auf den öffentlichen Verkehr oder einen Fahrdienst angewiesen. Jedoch können sie den öffentlichen Verkehr aufgrund psychiatrischer, kognitiver und somatischer Probleme in vielen Fällen nicht benützen. Fahrdienste können ferner mit hohen Kosten verbunden sein und das Angebot ist unübersichtlich. Die Tür-zu-Tür-Mobilität sinkt aus diesen Gründen im hohen Alter. Dies behindert auch den Zugang zu notwendigen Gesundheitsdienstleistungen, die entsprechend weniger in Anspruch genommen werden.
Vom Workshop …
Um die Mobilität von Tür zu Tür in der Stadt Bern zu verbessern, beauftragte die Arbeitsgruppe Geriatrie von Fokus Bern das Institut Alter, einen Stakeholder-Workshop durchzuführen. Dieser sollte die Bedürfnisse hochaltriger Menschen betreffend Zugänglichkeit von Gesundheitsdienstleistungen konkretisieren und Anhaltspunkte zur Verbesserung liefern. Am Workshop beteiligten sich 27 Personen: ambulante und stationäre Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen, der Rat für Seniorinnen und Senioren der Stadt Bern, ProSenior Bern, öffentliche Verkehrsanbieter, verschiedene Fahrdienste sowie Fachorganisationen für das Alter.
Im Workshop diskutierten die Teilnehmenden in unterschiedlicher Zusammensetzung an insgesamt vier Tischen und in sechs kürzeren Sequenzen förderliche und hemmende Faktoren der Tür-zu-Tür-Mobilität. Daraus leiteten sie Lösungsansätze für die Zukunft ab. Zur Sicherung der Ergebnisse wurden diese mittels Graphic Recording festgehalten.
… zu Lösungsansätzen …
Für ältere Menschen, die von Angehörigen oder Bekannten unterstützt werden, schien die Erreichbarkeit von Gesundheitsdienstleistern am besten gewährleistet. Diese Unterstützung kann eine Vielzahl von Leistungen beinhalten: Vom Motivieren eine Gesundheitsdienstleistung in Anspruch zu nehmen, über die Organisation und Koordination der Termine, bis zur Sicherstellung des Transportes und die Gewährleistung des Informationsflusses zwischen den Dienstleistern.
Fehlen Angehörige oder Bekannte, so fehlt auch diese bedarfsgerechte Unterstützung: erforderliche Gesundheitsdienstleistungen werden allenfalls nicht in Anspruch genommen. Institutionalisierte Angebote, die diesen Bedarf decken, fehlen bis jetzt. Als mögliche zukünftige Lösung entwarfen die Workshopteilnehmenden daher den «Mobilitätslotsen» als 1:1 Betreuung für hochaltrige Personen. Dieser wäre an eine bestehende Fachorganisation angebunden und soll im Einzelfall genau dort Aufgaben übernehmen, wo die betreute Person Unterstützung braucht. Damit könnte die Inanspruchnahme der notwendigen Gesundheitsdienstleistung gewährleistet werden.
… hin zum Pilotprojekt
Die Arbeitsgruppe Geriatrie von Fokus Bern erkannte das Potenzial des Mobilitätslotsen, gab ein Pilotprojekt in Auftrag und sucht derzeit Umsetzungspartner. Dabei stehen Situationen wie diese im Vordergrund:
- Herr G., bald 80 Jahre alt, ist wegen einer starken Gehbehinderung auf den Rollator, bei längeren Strecken gar auf den Rollstuhl angewiesen. Dank Spitex kann er aber noch in seiner kleinen Wohnung leben. Die Gehbehinderung hatte zur Folge, dass er sich zunehmend sozial isolierte. Sein Sohn lebt in der Ostschweiz und pflegt nur sporadisch Kontakt.
Wegen der Gehbehinderung muss Herr G. regelmässig zur Kontrolle ins Spital. Aufgrund seines Diabetes wurde ihm zudem empfohlen, zum Podologen zu gehen. Der Fahrdienst des Roten Kreuzes begleitet ihn von seiner Wohnung bis zur Ärztin, was aber organisiert und mit der Spitex koordiniert werden muss. Wegen seiner gelegentlichen Verwirrtheit gelingt dies Herrn G. aber nicht zuverlässig. - Frau S. lebt nach dem Tod ihres Mannes weiterhin in ihrer Wohnung, Kinder hat sie keine. Nach einem Sturz in der Wohnung musste Frau S. ins Spital. Grund für den Sturz war ein kurzer Schwindel. Damit sie weiterhin zuhause leben kann, empfehlen die Ärzte eine ambulante Rehabilitation.
Obwohl das Zentrum gut erschlossen ist, getraut Frau S. sich nicht, mit dem öffentlichen Verkehr dahin zu reisen, da sie es sich nicht gewohnt ist. Da sie als Paar stets das Auto benutzten, hat sie Angst, sich bei den vielen Tram- und Busverbindungen am Bahnhofplatz nicht zurecht zu finden und keinen Sitzplatz zu erhalten.
Im Pilotprojekt wird nun geklärt, welche Gesundheitsdienstleister welche Rolle übernehmen können, damit Dinge wie Kontaktaufnahme, Koordination oder Transport erfolgreich verlaufen. Ebenso wird untersucht, wie lange eine Begleitung oder Unterstützung des Mobilitätslotsen notwendig ist, bis sich hochaltrige Personen wie Frau S. selbständig und sicher im öffentlichen Verkehr bewegen und die notwendigen Wege allein zurücklegen können.
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