Vermögensverteilung in Schieflage

In der reichen Schweiz konzentrieren sich die Vermögen in immer weniger Händen. Wie Steuerdaten zeigen, spielen dabei Erbschaften, Schenkungen und Vermögenseinkünfte eine wichtige Rolle. Während die Steuern in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten gesenkt wurden, nahm die Ungleichheit in der Schweiz weiter zu und erreicht mittlerweile ein wirtschaftlich und gesellschaftlich problematisches Ausmass.

Vermögen ist eine wichtige Dimension für den gesellschaftlichen Status und eine wichtige Basis für materielle Sicherheit. Trotzdem blieb sie in den meisten Studien zur wirtschaftlichen Ungleichheit ausgeklammert. Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts zur Einkommens- und Vermögensungleichheit untersuchte die BFH zusammen mit der Universität Bern die Vermögensungleichheit in der Schweiz erstmals anhand von kantonalen Mikro-Steuerdaten und den Daten der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV).

Konzentration der Vermögen bei Superreichen

In den letzten Jahrzehnten gewann das Vermögen im Vergleich zum Einkommen zunehmend an Gewicht und wurde dadurch ein entscheidender Faktor für die ökonomische Ungleichheit. Mit einem Pro-Kopf-Vermögen von 323’700 CHF gehört die Schweiz weltweit zu den reichsten Ländern. Doch wie in keinem anderen Land sind die grossen Vermögen in den Händen einer kleinen Gruppe von Superreichen konzentriert (vgl. Grafik 1). Im Jahr 2013 verfügten 56 Prozent der Steuerpflichtigen über ein Vermögen von weniger als 50’000 CHF pro Kopf. Am oberen Ende besitzen 2.2 Prozent der Steuerpflichtigen ein Vermögen von je über 2 Millionen Franken und verfügen zusammen über 51.3 Prozent. des Gesamtvermögens. Damit gehört die Schweiz zu den Ländern mit der ungleichsten Vermögensverteilung.

Grafik 1: Verteilung der Vermögen in der Schweiz 2013 | Quelle: ESTV 2013. Eigene Berechnungen.

Die Vermögensungleichheit nimmt weiter zu

Dies war nicht immer so. In den letzten 30 Jahren nahm die Vermögensungleichheit in der Schweiz erheblich zu. Während die Vermögen der grossen Mehrheit abgenommen haben, konnten die Vermögen der reichsten 5 Prozent deutlich zulegen (vgl. Grafik 2). Einzig der untere Mittelstand schaffte es in den letzten Jahrzehnten noch überdurchschnittlich viel Vermögen aufzubauen. Diese Entwicklung hat vielerlei Ursachen. Eine Rolle spielt z.B. der tiefe Anteil von Personen mit Wohneigentum. Die Wohneigentumsquote der Schweiz ist mit 38 Prozent die niedrigste in ganz Europa, womit die meisten Haushalte nicht von der massiven Steigerung der Liegenschaftspreise profitieren konnten. Weitere Ursachen für die Zunahme der Vermögensungleichheit sind die langfristig höheren Renditen, die grössere Vermögen in Aktienanlagen erzielen, oder die moderaten Steuern in der Schweiz, die zu einer Einwanderung reicher Personen führten.

Grafik 2: Veränderung der Vermögensverteilung 1981 bis 2010 | Quelle: Aggregierte Steuerdaten der ESTV, Jahre 1981 bis 2013. Eigene Berechnungen.

Akkumulation und Vererbung von Vermögen

Betrachtet man nun den Zusammenhang von Einkommen und Vermögen, so erstaunt es nicht, dass diese sich oft bei den gleichen Personen konzentrieren. Erst wenn das Erwerbseinkommen ein bestimmtes Niveau erreicht, wird es möglich einen Teil davon anzusparen. So kann das einkommensstärkste Fünftel der Haushalte durchschnittlich fast 30 Prozent des Einkommens sparen, während den einkommensschwächsten Haushalten nur wenig bis nichts zum Sparen bleibt. Bei der Einkommensverteilung spielt die herkunftsbezogene Ungleichheit z.B aufgrund von Nationalität, Bildung oder Geschlecht eine wichtige Rolle, was die ungleiche Verteilung der Ressourcen zusätzlich verschärft. Bei den obersten Einkommensklassen stammt im Übrigen ein wesentlicher Teil des Einkommens aus Vermögenseinkünften und nicht aus Erwerbstätigkeit.

Dazu kommt, dass Erbschaften und Schenkungen ebenfalls sehr einseitig verteilt sind und grossmehrheitlich bereits vermögenden Schichten zugutekommen. Seit den 80er Jahren haben die Erbschaften im Verhältnis zum Volkseinkommen stark zugenommen. Gemäss Berner Steuerdaten betrugt eine Erbschaft zwischen 2002 und 2012 durchschnittlich 100’000 bis 150’000 CHF, während der durchschnittliche Schenkungsbeitrag bei 75’000 bis 100’000 CHF lag. Dabei gingen 34 Prozent der Erbschaftssumme und 43 Prozent der Schenkungssumme an lediglich 1 Prozent der Bevölkerung. Je zwei Drittel des Erb- und Schenkungsvolumens kamen nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (vgl. Grafik 3).

Grafik 3: Verteilung der Erbschaften und Schenkungen | Quelle: Steuerdaten des Kantons Bern 2002 bis 2012. Eigene Berechnungen.

Der Vermögensungleichheit entgegenwirken

Die aufgezeigte Konzentrationsdynamik des Reichtums führt dazu, dass dieser immer weniger auf eigener Leistung beruht und somit eine Feudalisierung der Schweiz droht. Aus demokratiepolitischer Perspektive ist diese zunehmende Ungleichheit problematisch, da sie zu einer Delegitimation gesellschaftlicher Strukturen führt und Konflikte fördert. Zudem eröffnet sie einem immer kleiner werdenden Kreis übermässige Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten. Auch ist eine ausgeprägte Ungleichheit aus ökonomischen Gründen unerwünscht, da sie das Wachstum hemmt und sich negativ auf die wirtschaftliche Stabilität auswirkt.

Bedenkt man, dass knapp 7 Prozent der Schweizer Bevölkerung unter dem Existenzminimum leben und der öffentlichen Hand für ihre soziale Absicherung zunehmend die Mittel fehlt, wäre es dringend angebracht, die Steuersenkungen der letzten Jahre rückgängig zu machen, einen Teil der Spitzenvermögen mit progressiven Steuern abzuschöpfen und im Rahmen staatlicher Transferleistungen umzuverteilen. Dies wäre zudem die direkteste und wirksamste Massnahme, der zunehmenden Vermögensungleichheit in der Schweiz entgegenzuwirken.

 


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