Spitex: Wie Pflegefachleute und Sozialarbeitende zusammenarbeiten

Bei ihrer Arbeit erfahren Spitex-Mitarbeitende oft die sozialen Probleme ihrer Kund*innen. Deren Bearbeitung erfordert neue Zusammenarbeitsformen. Eine Studie der Berner Fachhochschule BFH zeigt, welche Rolle dabei Sozialarbeitende übernehmen und wie die Kooperation zwischen Gesundheits- und Sozialwesen gestaltet werden kann.

Spitex-Organisationen erbringen ihre Leistungen bei den Menschen zu Hause und leisten damit einen Beitrag dazu, dass diese möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden leben können. Dabei erfahren die Mitarbeitenden von ihren Kund*innen soziale Themen, die deren Gesundheit direkt oder indirekt beeinflussen. Um diese sozialen Problemlagen zu bearbeiten, benötigt es rasche und wirkungsvolle Interventionen durch Fachpersonen aus dem Sozialwesen. Doch wie sieht diese interprofessionelle Zusammenarbeit aus und wie gelingt sie am besten?

Eine Studie der BFH untersuchte die sozialen Probleme von Spitex-Kund*innen und die unterschiedlichen Formen der Kooperation von Sozialarbeitenden und Pflegefachkräften. In einem ersten Teil wurde eine Onlineumfrage mit 240 Spitex-Pflegekräften aus 23 deutsch- und französischsprachigen Kantonen durchgeführt. In einem zweiten Teil wurden vier vertiefende Expert*innen-Interviews mit Pflegefachpersonen und Sozialarbeitenden in Spitex-Organisationen geführt.

Soziale Themen im ambulanten Betreuungssetting

Die Onlinebefragung zeigt, dass soziale Themen in den alltäglichen Spitex-Settings sehr präsent sind. Sie äussern sich oft im direkten Kund*innenkontakt oder im Austausch mit den Angehörigen. Häufige Themen sind etwa Einsamkeit oder finanzielle Probleme. So erachten die befragten Spitex-Mitarbeitenden die Unterstützung durch Sozialarbeitende auch in verschiedenen Themenbereichen als wünschenswert – z.B. im Bereich Finanzen und Budget oder Sozialversicherungen. Dabei wünschen sich die Pflegekräfte von den Sozialarbeitenden, dass sie Kund*innen beraten, Hausbesuche anbieten und an runden Tischen oder Angehörigenbesprechungen dabei sind, dass sie aber auch das Pflegepersonal beraten oder an Fallbesprechungen teilnehmen.

Kooperationsgrade und Zusammenarbeitsmodelle

Durch die Vielzahl sozialer Anliegen müssen Spitex-Mitarbeitende verschiedenste Schnittstellen zum Sozialwesen managen. Die Umfrage zeigt, dass die teilnehmenden Pflegefachkräfte mit diversen Fachstellen oder Behörden mindestens einmal im Monat in Kontakt sind. Je intensiver die Kooperation mit Sozialarbeitenden ist, desto öfter erkennen sie bei ihren Kund*innen auch soziale Problemlagen. Auch sind die Pflegekräfte zufriedener mit der Schnittstelle zu Sozialwesen und Behörden, wenn sie eng mit ihnen zusammenarbeiten.

Spitex-Organisationen probieren verschiedene Wege der Zusammenarbeit mit Sozialarbeitenden aus. Die Expert*innen-Interviews zeigen, dass das wichtigste Unterscheidungsmerkmal hier darin liegt, ob Sozialarbeitende intern in der Spitex-Organisation angestellt oder ob sie extern, in anderen Organisationen im Sozial- oder Gesundheitswesen tätig sind.

Bei einer internen Zusammenarbeit mit Sozialarbeitenden ist die Sozialberatung in die Organisation integriert. Es gibt gemeinsame Abläufe und regelmässige Austauschmöglichkeiten wie z.B. Teamsitzungen. Durch die örtliche Nähe der Arbeitsplätze sind niederschwellige Zugänge zu den Sozialberatenden vorhanden. Je nach Modell arbeiten Pflegekräfte und Sozialarbeitende im Tandem gemeinsam in einer Klient*innen-Situation oder die Pflegefachpersonen entscheiden situativ über den Einbezug der internen Sozialarbeitenden. Die internen Sozialarbeitenden arbeiten typischerweise aufsuchend in der Lebenswelt der Klient*innen – wie es dem ambulanten Charakter der Spitex entspricht.

«Ich gehe als professionelle Besucherin mit einem Auftrag hinein, bin dort eingeladen und gehe wieder. Das ist ein Vorteil, denn durch den Einblick in die Lebenssituation erscheint der Klient viel spezifischer, als wenn er in ein Büro kommt.» Sozialarbeiterin einer Spitex-Organisation

Arbeiten Spitex-Organisationen mit externen Sozialarbeitenden zusammen, sind diese z.B. bei Spitälern oder kommunalen Sozialdiensten angestellt. Die Zusammenarbeit erfolgt, wenn die Spitex den Kontakt initiiert – bspw. durch eine Gefährdungsmeldung – oder wenn Sozialarbeitende mit der Spitex-Organisationen in Verbindung treten – bspw. bei einem Spitalaustritt. Die Zusammenarbeit findet in diesen Modellen häufiger als Beratung zwischen den Fachkräften statt, ohne den aktiven Einbezug der Klient*innen.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit

Alle interviewten Personen erkennen in der interprofessionellen Zusammenarbeit von Sozialarbeitenden und Pflegefachpersonen ein grosses Potenzial. Wenn die involvierten Fachpersonen offen dafür sind, kann sich eine vertrauensvolle und lehrreiche Arbeitsbeziehung entwickeln, die den Klient*innen einen Mehrwert bringt. Weiter zeigen die Daten, dass die Zusammenarbeit einen besonders grossen Nutzen generiert, wenn die Kooperation formell gut geregelt ist – bspw. durch ein gemeinsames Konzept, definierte Abläufe und ein gemeinsames Informationssystem.

«Wenn wir gut zusammenarbeiten, gibt es am Schluss einen grossen Benefit für die gesamte Bevölkerung.» Pflegefachperson einer Spitex-Organisation

Noch besteht jedoch kein etabliertes Modell, wie die Fallarbeit und die für die Kooperation benötigte Zeit vergütet werden kann. Dies zu entwickeln, wäre der nächste notwendige Schritt, um die hohe Nachfrage im Spitex-Bereich nach Unterstützung bei sozialen Problemen befriedigen zu können. Denn damit die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zwischen Sozial- und ambulantem Gesundheitswesen ihre volle Wirkung entfalten können, müssen diese Kooperationen gut geregelt sein – dies gilt auch für Finanzfragen.

 


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