Sozialhilfe-Risiken in Zeiten der Digitalisierung

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Foto: istock.com/D-Keine

Arbeitsmarkt und Gesellschaft wandeln sich im Zuge der Digitalisierung. Nicht alle können von den neuen Möglichkeiten profitieren. Gefragt sind flexible und belastbare Arbeitnehmende. Wer die nötigen Qualifikationen nicht vorweisen kann, trägt ein erhöhtes Sozialhilferisiko.

Die technologischen Entwicklungen sind seit jeher ein zentraler Treiber des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels. Mit der Digitalisierung befinden wir uns derzeit in einer Phase, in der diese Entwicklung besonders rasant verläuft. Insgesamt ist die Schweiz dieser Herausforderungen bislang gut gewachsen. Der Arbeitsmarkt, das Bildungssystem und insbesondere die jüngeren Arbeitnehmenden passen sich den geänderten Rahmenbedingungen an: Der Anteil der 25- bis 64-Jährigen, die über einen Abschluss auf Tertiärniveau (Hochschule, höhere Berufsbildung) verfügen, hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und liegt inzwischen bei fast 45%. Im selben Zeitraum hat sich auch die Zahl der Beschäftigten in anspruchsvollen Tätigkeiten stark erhöht.

Negative Folgen der Digitalisierung

Für einen Teil der Menschen ist eine Anpassung an die neue Ausgangslage aber schwierig. Traditionelle Industriearbeit gibt es immer weniger. Computer und Internet haben den Bedarf an einfacheren Bürokräften stark reduziert. Für Geringqualifizierte haben sich die Chancen auf ein existenzsicherndes Einkommen daher verschlechtert. Sie finden zwar noch Beschäftigungsmöglichkeiten – zum Beispiel in der Reinigung, in der Küche, im Service, bei Kurierdiensten. Diese Tätigkeiten sind aber im Tieflohnbereich angesiedelt und bieten meist keine langfristigen Perspektiven. Zu den Verliererinnen und Verlierern des Strukturwandels gehören Personen mit tiefer Qualifikation, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und ältere Arbeitnehmende, deren Kompetenzen im Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sind. Sie alle stehen in Anbetracht des zunehmenden Wettbewerbs- und Anpassungsdruck vor grossen Hürden.

In den 1980er Jahren hatte der Bildungsstand einer Person noch keinen Einfluss auf ihr Arbeitslosigkeitsrisiko. Seither ist das Risiko der Arbeitslosigkeit von Personen ohne Abschluss gegenüber den Höherqualifizierten kontinuierlich angestiegen. Sie sind zusammen mit älteren Arbeitnehmenden immer öfter von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Bei beiden Personengruppen ist ein erhöhtes Sozialhilferisiko feststellbar. In den 14 Städten, die von der BFH jährlich analysiert werden, ist die durchschnittliche Sozialhilfequote der 56- bis 64-Jährigen in rund 10 Jahren von 3.3 auf 4.8% angestiegen. Gestiegen ist sie auch bei den 46- bis 54-Jährigen, die inzwischen nach den Minderjährigen das höchste Sozialhilferisiko tragen. Zudem nimmt der Anteil der Unqualifizierten in der Sozialhilfe zu, obschon ihr Anteil in der Gesamtbevölkerung stetig abnimmt. Auch die Bezugsdauer steigt seit Jahren an.

Sozialhilfe übernimmt die langfristige Existenzsicherung

Dazu kommen mehrere sozialpolitische Entwicklungen, die dazu beitragen, dass sich die Situation der Verliererinnen und Verlierer des digitalen Strukturwandels verschärft. Im Vergleich zu 2003 haben sich bei den 55- bis 64-Jährigen die Neurentenquoten in der IV mehr als halbiert. Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für die Arbeitslosenunterstützung gerade für Personen in instabilen Beschäftigungsverhältnissen verschärft. Zunehmend ist es somit die Sozialhilfe, welche die längerfristige Existenzsicherung übernehmen muss.

Aber auch in der Sozialhilfe steigt der Spardruck. Was jedoch fehlt, ist eine Diskussion darüber, wie man die Verliererinnen und Verlierer an den Gewinnen des Strukturwandels beteiligen und in ihre Zukunft investieren könnte. Die staatlichen Unterstützungssysteme müssten verstärkt auf den Bedarf derjenigen Menschen ausgerichtet werden, die nur beschränkt auf die veränderten Arbeitsmarktbedingungen reagieren können. Es bräuchte spezifische Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie eine bessere Absicherung älterer Arbeitslosen – zum Beispiel in Form von Überbrückungsrenten oder der Flexibilisierung des Rentenalters. Lösungsansätze die in der Schweiz leider zu selten Gehör finden.

 


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