Soziale Ungleichheit in alterspolitischen Wohnfragen

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Foto: istock Morsa Images

Viele Gemeinden bemühen sich, den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen der älteren Bevölkerung mit vielfältigen Angeboten zu entsprechen. Um allen eine lebensphasengerechte Wohn- und Lebensqualität zu garantieren, benötigt es jedoch eine stärkere Berücksichtigung der Situation vulnerabler Senior*innen.

Der alterspolitische Handlungsrahmen von Gemeinden in Wohnfragen orientiert sich stark am Bedürfnis älterer Menschen, möglichst lange selbstbestimmt in vertrauter Umgebung wohnen zu können. Dementsprechend bemühen sich viele Gemeinden in Zusammenarbeit mit Dritten altersgerechte Wohnangebote zu schaffen, die den vielfältigen Wohnbedürfnissen von Senior*innen entsprechen.

So umfassen die Massnahmen der Gemeinden unter anderem Anreize für altersgerechte Anpassungen des bestehenden Wohnraums oder die Unterstützung neuer stationärer Wohnformen. Ein besonderes Augenmerk legt die kommunale Alterspolitik auf die Förderung lebensphasengerechter Neubauprojekte und den Ausbau organisierter Wohnformen wie zum Beispiel Wohnen mit Dienstleistungen. Diese Angebote dienen zum einen dazu, das selbstbestimmte Wohnen zu erleichtern, und zum anderen bieten sie Alternativen zu stationären Wohnformen, wie sie lokale Alters- und Pflegeheime darstellen.

Vier Gruppen benachteiligter Senior*innen

Die kommunale Förderung vielseitiger Wohnangebote, deckt sich mit dem vorherrschenden Verständnis des Älterwerdens als individuell gestaltbare Lebensphase. Allerdings greift der alterspolitische Fokus auf Wohnangebote und Wohnbedürfnisse meist zu kurz. So haben bestimmte Senior*innengruppen aufgrund mangelnder materieller, sozialer, kultureller und körperlicher Ressourcen Schwierigkeiten, mit den bestehenden Wohnangeboten ihre Wohn- und Lebensqualität zu verbessern. Exemplarisch dafür steht eine Wohnsituationsanalyse der Berner Fachhochschule zur älteren Bevölkerung in einer mittelgrossen Gemeinde. Mindestens vier Gruppen von benachteiligten Senior*innen lassen sich hier idealtypisch unterscheiden.

  • Senior*innen mit Ergänzungsleitungen (EL) in Privathaushalten: Aufgrund des geringen finanziellen Spielraums sind ihre Wohn- und Umzugsmöglichkeiten limitiert, da sanierte oder neue altersgerechte Wohnungen die Maximalmiete der EL oftmals übersteigen. Und falls die Miete von Wohnangeboten mit Dienstleistungen für EL-Bezüger*innen erschwinglich ist, übersteigen die dabei angebotenen Dienstleistungen – wie z.B. Haushaltshilfen, Mittagstische, kulturelle Anlässe – oft das monatliche Budget oder werden von der EL und der Krankenkassenversicherung nicht gedeckt.
  • Senior*innen mit fehlenden Kompetenzen bei der Wohnungssuche: Heutzutage findet die Wohnungssuche mehrheitlich über digitale Immobilien-Portale statt. Wenn kritische Lebensereignisse wie ein Todesfall oder ein gesundheitliches Gebrechen einen Wohnungswechsel erforderlich machen, führen fehlendes Wissen oder mangelnde digitale Kompetenzen schnell zur Überforderung und erschweren eine zielführende Wohnungssuche – selbst wenn das Wohnangebot vorhanden wäre.
  • Sozial isolierte Senior*innen: Zwar ist der lange Verbleib in den eigenen vier Wänden ein grosses Bedürfnis vieler Senior*innen. Allerdings wird oft vergessen, dass gerade im hohen Alter der selbstständige Verbleib zuhause nur dank der Unterstützung des sozialen Umfelds möglich ist. Fehlt ein solches Umfeld, droht der älteren Person die soziale Isolation. Alternative Wohnangebote können hier nur begrenzt Abhilfe schaffen. Um die Wohn- und Lebensqualität zu verbessern, müssen die entsprechenden Wohnangebote in eine sorgende Quartierstruktur eingebettet sein, welche die soziale Teilhabe im fragilen Alter erleichtert.
  • Senior*innen mit gesundheitlichen Beschwerden: Die Verschlechterung des Gesundheitszustands ist für Senior*innen einer der häufigsten Umzugsgründe. Um den Übertritt in eine stationäre Wohnform zu verzögern oder zu verhindern, fördern die Gemeinden den Ausbau organisierter Wohnformen mit Dienstleistungen. Für die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität reichen die Wohnangebote allein jedoch nicht aus. Auch die Infrastruktur der Aussenräume muss berücksichtigt werden. Diese sollten so eingerichtet sein, dass auch Senior*innen mit gesundheitlichen Einschränkungen sich möglichst selbstständig fortbewegen und den Alltag selbstbestimmt gestalten können.

Forschung zur Stärkung vulnerabler Senior*innen

Es ist zu begrüssen, dass Gemeinden sich für vielfältige Wohnangeboten für die heterogene Gruppe der Senior*innen einsetzen. Jedoch dürfen dabei die Lebenssituationen vulnerabler Senior*innen nicht ausser Acht gelassen werden. Denn um ihre Wohn- und Lebensqualität zu verbessern, reichen Wohnangebote allein nicht aus. Welche Massnahmen für die benachteiligten Gruppen tatsächlich greifen, bleibt aufgrund mangelnder Forschung aber häufig offen. Wohnsituationsanalysen aus einem sozialgerontologischen Blickwinkel stellen eine Möglichkeit dar, die Vulnerabilität der Senior*innen in Wohnfragen stärker hervorzuheben, und liefern so wichtige Hinweise für kommunale Akteure im Altersbereich.

 


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