Soziale Arbeit in der Arztpraxis wirkt!

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Foto: istock.com Parradee Kietsirikul

Soziale Arbeit in der Arztpraxis bringt nicht nur den Patient*innen, sondern auch ihren behandelnden Ärzt*innen einen hohen Nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Berner Fachhochschule BFH, die vier Pionierprojekte der Deutschschweiz begleitet hat.

Das Gesundheitssystem wird zunehmend durch Menschen beansprucht, die an chronischen oder an mehrfachen Erkrankungen leiden. Sie benötigen das Gesundheitswesen deutlich mehr als die durchschnittliche Bevölkerung, brauchen mehr Medikamente, suchen öfter eine Ärztin oder einen Arzt auf, konsultieren meist unterschiedliche Fachpersonen und werden häufiger hospitalisiert oder rehospitalisiert.

Damit die Versorgungsqualität bei gleichbleibenden Gesundheitskosten erhalten oder erhöht werden kann, müssen die Strukturen der ambulanten Versorgung gestärkt werden. Eine starke Grundversorgung kann ungesunde Lebenslagen früh erkennen, die Gesundheit stärken und teure Hospitalisierungen verhindern. Darüber hinaus leistet eine patientennahe und gut erreichbare Grundversorgung einen wichtigen Beitrag zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit und den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung.

Sozialarbeiter*innen sind Teil des Gesundheitssystems

Folgt man der Weltgesundheitsorganisation WHO, besteht eine interprofessionell ausgerichtete Grundversorgung aus Hausärzt*innen, Kinderärzt*innen, Assistenzärzt*innen, Pflegefachkräften, Ernährungsberater*innen, Apotheker*innen, Zahnärzt*innen und Sozialarbeiter*innen. Dabei unterstützen Sozialarbeiter*innen den Zugang zum und die Orientierung im Gesundheitswesen, fördern die soziale Integration, entlasten das medizinische Personal und übernehmen die Erfassung der sozialen Lebenswelt der Patient*innen – z.B. bei komplexen Themen wie betreuende Angehörige, Kindes- und Erwachsenenschutz oder Sozialversicherungen.

Im angelsächsischen Raum, insbesondere in Irland, Neuseeland und den USA sind sogenannte «Primary Care Social Workers» bereits weit verbreitet. Demgegenüber finden sich in der Schweiz nur wenige Pionierprojekte, die mit viel Engagement und Überzeugung eine Sozialberatung in Arztpraxen anbieten. Die wenigen Pilotangebote in der Deutschschweiz waren für die BFH eine Gelegenheit, die Organisationsformen von Sozialer Arbeit in Arztpraxen, ihren Nutzen und ihre Wirkung in einem zweijährigen Projekt zu erforschen.

Mehrere positive Effekte durch Sozialberatung in Arztpraxen

Die im Rahmen der Studie durchgeführten Patient*innen- und Ärzt*innenbefragungen kommen zu einem wichtigen Ergebnis: Die Sozialberatungen verbessern nicht nur die psychische Gesundheit und die finanzielle Situation ihrer Klient*innen, sondern erhöhen auch die Arbeitszufriedenheit der behandelnden Ärzt*innen. Alle zwanzig befragten Ärzt*innen berichten, dass sie in der Sprechstunde nun mehr Zeit für medizinischen Anliegen hätten. Fast alle erkennen auch, dass sich dadurch die Versorgungsqualität erhöht. Diese Ergebnisse werden durch internationale Studien über interprofessionelle Teams mit Sozialer Arbeit gestützt.

Die Auseinandersetzung, mit welchen Modellen die Soziale Arbeit für eine Stärkung der Grundversorgung eingesetzt werden kann, führte zu einer wichtigen Erkenntnis: Alle vorgefundenen Modelle aus der Praxis – von der integrierten Sozialberatung bis zur externen Sozialberatung – unterstützen Ärzt*innen, eine bessere und gerechtere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Es bleibt daher zu wünschen, dass die vorgefundenen Pionierprojekte Verbreitung und Nachahmung finden. Dann dürften Sprechstunden-Gespräche wie dieses bald Geschichte sein:

Patientin mit Alkoholproblemen (42, Tränen in den Augen) bei der Hausärztin: «In letzter Zeit ist so viel auf einmal passiert: Mein Sohn hat Probleme in der Lehre, meine Mutter ist dement geworden, und ich habe Angst um meine Stelle.»

Ärztin (blättert in den Unterlagen): «Wann haben wir eigentlich die Leberwerte das letzte Mal kontrolliert?»

 


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