Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen optimieren

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28 Prozent der Hebammen und 21 Prozent der Ärzt*innen können ihre Pausenzeiten nicht einhalten. 15 Prozent der Pflegenden denken mehrmals monatlich oder sogar täglich über einen Berufsaustritt nach. Eine nationale Interventionsstudie erfasste die Arbeitsbelastung von über 19’000 Gesundheitsfachpersonen und liefert Impulse für verbesserte Arbeitsbedingungen.

Bereits vor SARS-CoV-2 hatte das Gesundheitswesen mit Fachkräftemangel, frühzeitigen Berufsaustritten und optimierungsbedürftigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Ein grosses Thema ist Stress am Arbeitsplatz: Gesundheitsfachpersonen haben bei ihrer Arbeit ein erhöhtes Risiko, sich mit infektiösen Krankheiten anzustecken, und sind einer hohen emotionalen Belastung ausgesetzt. Gesundheitspersonal ist häufig unterbesetzt, mit einer hohen Arbeitslast sowie Überzeiten konfrontiert und kämpft mit der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben.

19’000 beteiligte Gesundheitsfachpersonen

Das nationale Projekt «Work-related Stress Among Health Professionals in Switzerland», kurz STRAIN, setzt genau dort an. Stressquellen, Stressreaktionen und deren Langzeitfolgen im Arbeitsalltag von Gesundheitsfachpersonen in der Schweiz sollen erfasst und langfristig reduziert werden. Die Studie wurde von 2017 bis 2021 in allen Sprachregionen der Schweiz durchgeführt. Sie umfasst drei Messzeitpunkte und über 160 teilnehmende Akutspitäler, Rehabilitationskliniken, Psychiatrien, Alters- und Pflegeheime sowie Spitex-Organisationen. Den grössten Anteil der insgesamt über 19’000 mitwirkenden Personen machen die Pflegeberufe mit über 70 % aus, insbesondere Pflegende mit einem Abschluss auf Tertiärstufe (63 %). Weitere 9 % der Teilnehmer*innen stammen aus den medizinisch-therapeutischen Berufen und 7 % sind Ärzt*innen.

Teilnehmende Gesundheitsfachpersonen nach Disziplin

Stressoren am Arbeitsplatz

Erste Resultate zeigen, dass 28 % der Hebammen und 21 % der Ärzt*innen im Arbeitsalltag ihre gesetzlich festgelegten Pausenzeiten selten bis nie einhalten können. 13 % der Pflegenden leiden an einer mässigen bis starken Beeinträchtigung des Alltags aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden. Bei den Ärzt*innen sind 24 % von einem starken bis sehr starken Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben betroffen. 15 % der Pflegenden denken mehrmals im Monat oder sogar täglich daran, den Beruf frühzeitig zu verlassen.

Arbeitsbedingte Stressoren, Stressreaktionen und Langzeitkonsequenzen in verschiedenen Berufsgruppen

Die Studienresultate zeigen je nach Berufsgruppe unterschiedliche Stressoren und Auswirkungen auf den Arbeitsalltag:

  • Pflegende und Hebammen sind im Vergleich zu anderen Berufsgruppen höheren emotionalen und körperlichen Anforderungen ausgesetzt und es bieten sich ihnen weniger Entwicklungsmöglichkeiten. Die beiden Berufsgruppen weisen die tiefste Arbeitszufriedenheit auf und denken am häufigsten über einen Berufsausstieg nach.
  • Die Ärzt*innen sind im Vergleich am meisten von einer hohen Arbeitslast im Arbeitsalltag betroffen. Auch die fehlende Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben sowie Stresssymptome sind bei dieser Berufsgruppe im Vergleich am stärksten ausgeprägt.
  • Bei den medizinisch-technischen Berufen stehen herausfordernde Arbeitsumgebungsfaktoren, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten, wenig Mitsprache bei der Arbeit sowie die Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle im Zentrum.
  • Bei medizinisch-therapeutischen Berufen hingegen ist der eigene Entscheidungsspielraum für Pausen und Ferien im Vergleich am kleinsten. Auch die sozialen Beziehungen bei der Arbeit und die Bedeutung der Arbeit werden von diesen Berufen als geringer eingeschätzt. Zudem scheinen diese Fachpersonen häufiger mit einer fehlenden Rollenklarheit bei der Arbeit konfrontiert zu sein als andere Gesundheitsberufe.

Fokus auf Führungspersonen

Zur Reduktion von Stressoren am Arbeitsplatz wurde eine Schulungsintervention für Führungspersonen im Gesundheitswesen entwickelt. Sie umfasst sieben Handlungsfelder. Führungspersonen spielen bei der Umsetzung von effektiven Massnahmen zur Prävention und Reduktion von Stress sowie der Optimierung von Rahmenbedingungen eine elementare Rolle. Sie können mit ihrer Art der Führung und ihrer Vorbildfunktion zu einem verbesserten Umgang mit Stress am Arbeitsplatz beitragen. Das standardisierte Schulungsprogramm für Führungspersonen in den oben genannten Bereichen umfasste

  • ein zweitägiges Schulungsprogramm für Führungspersonen mit Kurz-Referaten, Gruppenarbeiten und individuellen Vertiefungsarbeiten,
  • Präsentationen zu aktuellen Forschungsresultaten und Massnahmen zur Senkung der Arbeitsbelastung,
  • interaktive Teile, um den interprofes¬sionellen sowie organisationsübergreifenden Austausch zwischen den Führungspersonen zu fördern,
  • ein 2 bis 3-stündiges Coaching.

Handlungsfelder zur Reduktion von Stressoren am Arbeitsplatz

Erkenntnisse für die Zukunft

Die Studie zeigt, dass einerseits effektive Massnahmen für eine gute Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben sowie eine Optimierung der Arbeitslast zentrale Themen im Schweizer Gesundheitswesen sind. Andererseits sind auch klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten, bessere Entwicklungsmöglichkeiten sowie ein stärkerer Fokus auf eine positive Feedback- und Fehlerkultur wichtig, um Gesundheitsfachpersonen länger motiviert und gesund im Beruf zu halten. Führungspersonen spielen bei der Umsetzung dieser Massnahmen im Praxisalltag eine zentrale Rolle. Die gegenwärtige SARS-CoV-2-Pandemie birgt die Gefahr, dass sich die Dysbalance zwischen Arbeits- und Privatleben von Gesundheitsfachpersonen verschärft und die Zahl der frühzeitigen Berufsausstiege erhöht. Umso wichtiger ist es, jetzt genau hinzuschauen und effektive Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen einzuleiten.

 

Weitere Artikel zum Thema Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen lesen Sie in der «frequenz», dem Kundenmagazin des Departements Gesundheit.


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