Qualität in der Arbeitsintegration

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Foto: istock.com/RgStudio

Vor vier Jahren hat der Verband Arbeitsintegration Schweiz zusammen mit der BFH seine Qualitätsnorm überarbeitet. Wie hat sich die neue Norm in der Praxis etabliert? Aufschluss gibt ein Gespräch zwischen der Projektleiterin und einem Vertreter einer Organisation, die nach der neuen Norm zertifiziert ist.

Da im Berufsfeld der Bedarf bestand, qualitativ gute Arbeit nachzuweisen, betreibt Arbeitsintegration Schweiz seit 2005 die Qualitätsnorm IN-Qualis (vormals SVOAM). Die Norm wurde ursprünglich für die arbeitsmarktlichen Massnahmen entwickelt, die im Auftrag der Arbeitslosenversicherung angeboten werden. Heute sind mehr als hundert Organisationen zertifiziert.

Frau Miani, die SVOAM-Norm ist ein Erfolg – warum das?

Charlotte Miani: Viele Organisationen standen unter Druck, ihre Qualität gegenüber den finanzierenden Stellen und der Öffentlichkeit auszuweisen. Dazu kam der eigene Anspruch: Die Organisationen in der Arbeitsintegration waren innert Kürze gewachsen. Strukturen und Prozesse mussten professionalisiert werden. Die Norm einzuführen, brachte einen finanziellen Nutzen in Form von effizienten Arbeitsprozessen. Nutzen und Aufwand standen wohl in einem relativ guten Verhältnis.

Charlotte Miani, Leiterin Bereich Qualität beim Verband Arbeitsintegration Schweiz

Der Verband unterzog die SVOAM-Norm 2017 einer Revision. Sie haben diese geleitet und mit der BFH zusammengearbeitet. Warum wurde das nötig?

Charlotte Miani: Das Feld der Arbeitsintegration hatte sich weiterentwickelt. Es waren Organisationen mit neuen Zielgruppen und verschiedenen Finanzierungsformen hinzugekommen. Die neue Norm sollte passend sein für diese verschiedenartigen Organisationen. Dazu kam das Anliegen, dass die Norm kompatibel mit anderen Normen sein soll.

Herr Fankhauser, die Farb AG ist seit 2013 SVOAM zertifiziert. 2020 haben Sie die Zertifizierung mit der revidierten Norm IN-Qualis erneuert. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Werner Fankhauser: Qualitätsmanagement ist oft abstrakt und der Initialaufwand hoch. Bei IN-Qualis waren wir motiviert durchzubeissen.

Wir wollten nicht für die Norm arbeiten, sondern für uns. Im Fokus stand, dass es dem Betrieb nützt. Es half, dass die modulartige Norm gut auf unsere Organisation passt.

Die Module liessen sich über unser Organigramm legen, so war es einfach zu sehen, welche Bereiche für welche Themen verantwortlich sind. Auch neue Themen wie das interne Kontrollsystem (IKS) liessen sich integrieren und wir konnten sogar ein besonderes Augenmerk auf das Risikomanagement legen.

Werner Fankhauser, Projektleiter Zertifizierung bei der Farb AG

Wie gelangt die Norm zu den Mitarbeitenden?

Werner Fankhauser: Das ist Führungsarbeit. Die Verankerung funktioniert über Jahresplanung und Pendenzenlisten. Indem man die Themen evaluiert, bleiben sie in den Teams. Die Evaluationen haben den Effekt, dass man überprüft, was man gemacht hat. Im Betrieb sprach man nun davon, dass man sich mit dem Vorjahr vergleichen möchte. Wenn ich so etwas höre, ist Qualität angekommen.

Was ist Ihrer Meinung nach der Erfolgsfaktor einer Fachnorm wie IN-Qualis?

Werner Fankhauser: Die ISO-Norm ist aufgrund ihrer Ausrichtung sehr breit. Sie auf die eigenen Prozesse zu übersetzen, ist aufwändig. Kleinere Institutionen können sich dagegen in einer Fachnorm gut orientieren. Die IN-Qualis Norm nimmt viel vorweg, weil sich die Inhalte mit den eigenen Prozessen decken. Je spezifischer eine Norm daherkommt, umso eher nimmt sie die Angst vor dem Aufwand.

Was braucht eine Organisation, wenn sie sich nach IN-Qualis zertifzieren lassen will?

Werner Fankhauser: Wir haben sehr profitiert davon, dass wir schon vieles für die SVOAM-Zertifizierung gemacht hatten. Trotzdem brauchte es den Einsatz von allen. Wir hatten ein sogenanntes Gap-Gespräch mit der Auditorin. Das gab uns Hinweise, welche Prioritäten wir setzen müssen. Der finanzielle Aufwand ist variabel, ich kann die Stunden nicht hochrechnen, denn unter dem Strich geht die Norm in die tägliche Arbeit über. Hilfreich kann es sein, wenn die Norm in der Organisation von Anfang an breit abgestützt ist.

Charlotte Miani: Wichtig ist, dass die Leitung der Qualitätsarbeit eine gewisse Priorität gibt, das stimmt. Korrekt ist auch, dass Eindenken und Einarbeiten Aufwand bedeuten. Doch eine gewisse Form von Wissens- und Qualitätssicherung braucht ab einer bestimmten Grösse jede Organisation.

Ich denke, die IN-Qualis-Norm ist eine mögliche Vorgabe, wie man alles Nötige auf den Radar kriegt. Letztendlich verringern sich dadurch Aufwände, die entstehen, wenn Abläufe ineffizient sind oder andere organisationale Schwächen bestehen.

Sie haben den Revisionsprozess der Fachnorm zusammen mit der BFH und weiteren Expert*innen geleitet. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Charlotte Miani: Der Prozess ist gut gelungen. Wichtig war uns, dass wir alle Anspruchsgruppen miteinbeziehen. Wir mussten uns für einen Weg entscheiden und in Kauf nehmen, dass nicht immer alle ganz zufrieden sind. Das war nicht einfach. Eine Herausforderung bestand auch darin, die Flughöhe der Anforderungen so zu definieren, dass sie weder zu allgemein noch zu konkret sind, damit sie für verschiedene Organisationen passen. Im letzten Jahr haben sich dreissig Organisationen mit der neuen Norm zertifizieren lassen. Das verstärkt den Eindruck, dass die Norm gut aufgenommen wurde. Wir erhielten auch entsprechende Rückmeldungen.

Weshalb haben Sie mit der BFH zusammengearbeitet?

Charlotte Miani: Wir strebten von Anfang an die Erlangung der Akkreditierungstauglichkeit durch die Schweizerische Akkreditierungsstelle an. Die BFH war verantwortlich, dass wir die Akkreditierungstauglichkeit erlangen. Sie verfügt über Spezialist*innen aus der Arbeitsintegration, den sozialen Organisationen und dem Qualitätsmanagement, die gleichzeitig einen starken Praxisbezug haben. Es war gut, dass wir auf dieses vielfältige Fachwissen der BFH zurückgreifen konnten.

Könnte die IN-Qualis Norm auch für andere Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit interessant sein?

Charlotte Miani: Ich denke, das Modul «Aufnahme- und Begleitprozess» ist ein Kernelement von vielen Angeboten der Sozialen Arbeit. Daher ja – man könnte dieses Modul auch für andere Fachnormen verwenden und die entsprechenden Prozesse daran anhängen. Man könnte vielleicht sogar IN-Qualis für andere Bereiche ausbauen. Eignen könnte sich dafür etwa der Kindes- und Erwachsenenschutz.

Eine ausführliche Fassung dieses Interviews finden Sie in der aktuellen impuls-Ausgabe

 


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