Pensionsansprüche: Vermögensungleichheit auf dem Prüfstand

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Rentner spielt Golf

Die Vermögensverteilung in der Schweiz wird normalerweise ohne Pensionskassenguthaben bemessen. Dies führt zur Überschätzung der Vermögensungleichheit, wenngleich die Unterschiede auch mit Berücksichtigung der Pensionsansprüche gross bleiben. Hinzu kommt: Hohe Rentenansprüche sind der wichtigste Grund, sich früher pensionieren zu lassen.

Die Vermögensungleichheit in der Schweiz ist hoch. Gemäss Steuerdaten besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung rund 40 Prozent des Gesamtvermögens. Das meistverwendete Ungleichheits-Mass, der Gini-Koeffizient, zeigt dabei eine viel grössere Ungleichheit beim Vermögen (Gini 0.70 – 0.87 je nach Datenquelle) als beim Einkommen (Gini 0.28 für das verfügbare Haushaltseinkommen).

Pensionsansprüche: ein vernachlässigter Vermögensbestandteil

Die Schätzung der Vermögen und die daraus ermittelte Vermögensungleichheit löst regelmässig Diskussionen aus. Ein Hauptgrund dafür besteht darin, dass die Guthaben der Pensionskassen (2. Säule) nicht berücksichtigt werden, obwohl sie einen grossen Vermögensbestandteil darstellen. In der Folge wird die Vermögensungleichheit aus zwei Gründen überschätzt:

  • Das Pensionskassenguthaben steht im engen Zusammenhang zum Erwerbseinkommen. Darum sollte auch das Pensionskassenguthaben eine kleinere Ungleichheit aufweisen als das Vermögen.
  • Es wird oft angenommen, dass Personen mit niedriger Rente aus der 1. und 2. Säule mehr für ihren Ruhestand sparen und damit tendenziell mehr Vermögen ansammeln als Personen mit einer guten Absicherung. Der Einbezug der Pensionskassenguthaben müsste daher bei der Berechnung der Vermögensungleichheit einen ausgleichenden Effekt haben.

Im Rahmen des Nationalfondsprojekts «Vermögensverteilung in der Schweiz und Deutschland: Evidenz von Befragungsdaten» hat das Schweizer Kompetenzzentrum für Sozialwissenschaften FORS die Guthaben in der Altersvorsorge geschätzt. Dadurch ist es zum ersten Mal möglich, die obigen Annahmen für die Schweiz zu überprüfen. Dazu wurden die Daten der Befragung SILC 2015 des Bundesamts für Statistik mit Daten zum jährlichen Erwerbseinkommen des AHV-Registers kombiniert. Diese neue Datenquelle bestätigt, dass die Pensionskassenguthaben einen zentralen Vermögensbestandteil darstellen. Wird das Kapital in der 2. Säule zum übrigen Vermögen addiert, steigt das Durchschnittsvermögen in der Schweiz um 46 Prozent auf 354’000 CHF pro Person.

Pensionskasse und AHV führen zu geringeren Vermögensunterschieden

Die erweiterte Vermögensmessung führt in der Tat zu einer geringeren Vermögensungleichheit. Mit einem Gini-Koeffizienten von 0.66 sind die Unterschiede im erweiterten Vermögen aber noch immer viel grösser als beispielsweise beim verfügbaren Einkommen (Gini-Koeffizient 0.28). Wenn zusätzlich die zukünftige AHV-Rente als Vermögenskomponente einbezogen wird, verdoppelt sich das Vermögen gegenüber der Messung ohne Pensionskasse und der Gini-Koeffizient sinkt auf 0.56.

Aus den folgenden Gründen hat die 2. Säule einen relativ geringfügig ausgleichenden Effekt:

  • Die Pensionskassenguthaben sind sehr ungleich verteilt (Gini-Koeffizient von 0.61). Geringverdiener haben kein oder nur wenig Pensionskapital angespart, da Einkommen unter 25’000 CHF nicht beitragspflichtig sind. Zudem haben Gutverdienende in der Regel grosszügigere Pensionskassen.
  • Niedrige Pensionsguthaben werden nicht – wie oft fälschlich angenommen – durch ein grösseres Vermögen kompensiert. Es besteht kein Zusammenhangen zwischen dem Pensionskassenguthaben und dem übrigen Vermögen.

Vermögen und Pensionsansprüche beeinflussen Lebensentwürfe

Die grossen Vermögensunterschiede wirken sich beträchtlich auf verschiedene Lebensbereiche aus. Ein hohes Vermögen gibt finanzielle Sicherheit, kann in Form von Wohneigentum oder Autos direkt genutzt werden, es kann Einkommen generieren und vererbt werden. Darüber hinaus erlaubt Vermögen, sozialen Status zu untermauern oder politische Macht auszuüben.

Die Vermögensunterschiede wirken sich auch auf den Entscheid für eine Frühpensionierung aus. Die Höhe der erwarteten Rente ist mit Abstand der wichtigste Grund für eine Frühpensionierung. 27 Prozent der Personen ab 55 Jahren mit Aussicht auf eine hohe Pension (mindestens 4400 CHF pro Monat aus AHV und Pensionskasse) beenden ihre Arbeitstätigkeit vor dem regulären Rentenalter. Bei Personen mit einer geringen Pension (unter 2200 CHF pro Monat), liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Frühpensionierung unter 5 Prozent.

Dieser Unterschied von 22 Prozentpunkten ist gewaltig. Im Vergleich dazu spielen andere Gründe für eine Frühpensionierung – wie ein bereits pensionierter Partner resp. Partnerin (+7 Prozentpunkte) oder ein schlechter Gesundheitszustand (+12 Prozentpunkte) – eine weniger wichtige Rolle. Auch hinderliche Faktoren – wie unterstützungspflichtige Kinder (-4 Prozentpunkte) oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit (-7 Prozentpunkte) – sind weniger entscheidend. Zudem beeinflusst das Einkommen die Entscheidung für eine Frühpensionierung: Bei gleichem Pensionsguthaben tendieren Personen mit einem hohen Lohn seltener zu einer Frühpensionierung als solche mit einem tiefen Lohn. Bei einem Monatslohn unter 5500 CHF beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Frühpensionierung 16 Prozent, bei einem Monatslohn ab 7700 CHF nur 9 Prozent. Das private Vermögen spielt hierbei interessanterweise nur eine geringe Rolle.

Zusammengefasst scheint die Frühpensionierung in der Schweiz vor allem ein Privileg von Personen zu sein, die hohe Renten erwarten können. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, spielen finanzielle Aspekte bei der Frühpensionierung eine viel kleinere Rolle. Dies wirft auch Fragen zum jetzigen Steuersystem auf, da die Steuerabzüge für die 2. und 3. Säule die Anreize zur Frühpensionierung gerade für finanziell gutgestellte Personen verstärken und dadurch die sozialen Statusunterschiede, die aus der Vermögensungleichheit resultieren, weiter verschärfen.

 


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