Mobile Sozialberatung: Ein neuer Lösungsansatz im Gesundheitswesen

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Foto: istock NoSystem images

Die Angebote im Sozial- und Gesundheitswesen sind fragmentiert. Für Menschen mit gesundheitlichen Problemen und ihren Angehörigen ist es oft kaum erkennbar, welche Unterstützungsleistungen ihnen zustünden. Häufig fehlt selbst behandelnden Ärzt*innen die Übersicht und auch die gesamte Lebenssituation der betroffenen Personen wird zu selten miteinbezogen. Eine sektorenübergreifende persönliche Beratung und Begleitung könnten in dieser Situation hilfreich sein. Das Projekt Mobile Sozialberatung setzt hier an.

Im Sozial- und Gesundheitswesen mangelt es an koordinierten Leistungen, interprofessioneller Zusammenarbeit und sektorenübergreifender Versorgung. Zudem steht kaum jemand zur Seite, der*die auf die gesamte Lebenssituation der Betroffenen schaut.

Um die Versorgung verschiedener Akteur*innen im Gesundheitsbereich zu koordinieren, wurde 2023 in der Region Biel-Seeland der Verein somona gegründet. Sein Angebot einer Mobilen Sozialberatung soll insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen, Beeinträchtigungen und psychosozialen Belastungen zur Verfügung stehen – eine besondere Zielgruppe sind dabei ältere Menschen. Das Angebot bietet Hausbesuche, massgeschneiderte Sozialberatungen und einen koordinierten Hilfeprozess an, der alle relevanten Akteur*innen und Angebote in der Region Biel-Seeland miteinbezieht. Das Angebot richtet sich an Betroffene, Angehörige sowie Gesundheits- und Sozialeinrichtungen.

Die Idee für die Mobile Sozialberatung Region Biel-Seeland entstand, als ich während meines Masterstudiums im Gesundheitswesen arbeitete. Ich konnte sie weiterverfolgen und im Rahmen des Innovation Booster «Co-Designing Human Services» von der Mitarbeit weiterer Kolleg*innen und Expert*innen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen profitieren. Mit dem Ziel zusammen mit zukünftigen Nutzer*innen ein möglichst bedarfsgerechtes Angebot zu entwickeln, wurden betroffene Patient*innen und Angehörige sowie Ärzt*innen, Spitex-Organisationen, Spitäler, Alters- und Pflegeheime und weitere soziale Organisationen miteinbezogen.

Gespräche und ein Workshop bestätigten, dass die Mobile Sozialberatung ein passender Lösungsansatz ist. In einem weiteren Schritt wurden auf der Grundlage der Interviews mit Betroffenen und Angehörigen mögliche Beratungswege (Journeys) entworfen. Diese wurden mit einer interprofessionellen Fokusgruppe getestet und weiterentwickelt.

Eine (über-)fordernde Situation

Die Interviews und Workshops zeigen, dass die Situation mit verschiedenen Unterstützungsangeboten die Betroffenen und Angehörigen oft überfordert. Passende Angebote erreichen sie häufig zum falschen Zeitpunkt und die Beratung ist oft nicht auf ihre individuellen Bedürfnisse angepasst.

«Bei allen Stationen, die meine Frau durchlaufen hat, gab es keine umfassende Unterstützung. Zuhause schon gar nicht. Es wäre schön und hilfreich gewesen, wenn sich jemand eine Stunde Zeit genommen hätte und wir zusammen meine Fragen angeschaut hätten.» Ein*e Angehörige*r

Die Situationen sind oft sehr komplex. Die Betroffenen nehmen nicht selten gleich mehrere Gesundheitsleistungen in Anspruch, an denen verschiedene Fachpersonen beteiligt sind. Meistens spielen auch noch soziale und finanzielle Aspekte mit hinein. Die Situation ist dann nicht nur für die betroffene Person und ihre Angehörigen, sondern auch für die involvierten Fachpersonen unbefriedigend.

«Intensivere Fälle sprengen meinen Rahmen.» Eine Fachperson im Bereich Demenz

Gerade im höheren Alter und bei chronischen Erkrankungen sind verschiedene Lebensbereiche unterschiedlich betroffen, etwa das Wohnumfeld, das Familiensystem, Freund*innen oder die Arbeit. Im Verlauf der Zeit können sie sich negativ verändern und das Zusammenspiel der einzelnen Lebensbereiche gefährden. Vor allem Angehörige übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben und stossen dabei häufig an ihre physischen und psychischen Grenzen.

Bessere Prävention und mehr Konstanz

Die Diskussionen der Fokusgruppe zeigten, dass ein mobiles Angebot ein Gewinn wäre, da es den betroffenen Menschen direkt im eigenen Umfeld begegnet. Problemlagen können so früh erkannt und angegangen werden und die Betroffenen können sich besser im Behandlungs‐ und Unterstützungssetting orientieren. Einer Verschlechterung der Lebenssituation kann vorgebeugt werden, da Betroffene und Angehörige nicht erst im Notfall Hilfe erhalten und Krisen vorzeitig abgewendet werden können. Auch ein Nicht-Bezug von Sozial- und Gesundheitsleistungen kann so eher verhindert werden.

Betroffene, Angehörige und Fachpersonen haben zudem eine zuverlässige Ansprechperson vor Ort. Dies verbessert die individuelle Unterstützung und ermöglicht eine ganzheitliche Beratung, die sämtliche bio-psycho-sozialen Bedürfnisse beachtet.

«Das mobile Angebot schafft mehr Möglichkeiten für die Klient*innen.» Eine Fachperson im Bereich Psychiatrie-Spitex

«Ich sehe nur Chancen und Gewinn!» Ein*e Expert*in

Die Mobile Sozialberatung würde nach Einschätzung der beteiligten Fachpersonen auch Krankheitsspiralen verhindern und so die Gesundheitskosten senken. Einen weiteren Vorteil erkennen Fachpersonen darin, dass das Angebot die interprofessionelle Zusammenarbeit bedarfsgerecht über die Sektorengrenzen hinweg koordinieren kann und dies ihnen erlauben würde, ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Fachkompetenz zu legen.

Die Mobile Sozialberatung in der Region Biel-Seeland ist also ein möglicher Lösungsansatz für eine bedarfsgerechte und patientenzentrierte Versorgung. Damit die betroffenen Personen und Angehörigen die nötige Unterstützung erhalten, braucht es Sozialarbeiter*innen, die beraten, begleiten und die interprofessionelle Zusammenarbeit koordinieren. Dafür braucht es Offenheit von allen Seiten und den Mut, gemeinsam neue Wege zu gehen.

 


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