Arbeitnehmende mit Migrationshintergrund oder mit Behinderung beurteilen ihre Arbeitsbedingungen schlechter als der Durchschnitt und fühlen sich auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage der BFH und Travail.Suisse.
Das «Barometer Gute Arbeit» misst jährlich die von Arbeitnehmenden beurteilte Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz in den Dimensionen Sicherheit, Motivation und Gesundheit. Dieses Jahr legt es einen speziellen Fokus auf empfundene Benachteiligungen aufgrund von Migrationshintergrund und Behinderung. Dass dies ein ernsthaftes Problem darstellt, zeigen die Antworten der Befragten: Jeweils ein Neuntel der Arbeitnehmenden fühlt sich am Arbeitsplatz aufgrund des Migrationshintergrundes oder aufgrund eines chronischen gesundheitlichen Problems benachteiligt. Diese Werte sind somit doppelt so hoch als die wahrgenommene Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
Schlechtere Arbeitsbedingungen
Arbeitnehmende mit Migrationshintergrund weisen in allen drei Dimensionen eine niedrigere Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen auf als solche ohne Migrationshintergrund – jedoch ist der Unterschied bei der Gesundheit zu klein, um statistisch signifikant zu sein. Die tiefsten Werte zeigen sich bei den Arbeitnehmenden der ersten Migrationsgeneration. In der zweiten Generation verbessert sich die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen zwar, erreicht aber noch nicht das Niveau der übrigen Arbeitnehmenden. So ist etwa die psychische Belastung auch in der zweiten Migrationsgeneration deutlich stärker. Auch werden die Sinnhaftigkeit und die individuelle Wertschätzung der Arbeit tiefer bewertet.
Menschen mit Behinderungen – dazu zählen gemäss UNO-Behindertenrechtskonvention alle Personen, die im Alltag durch eine chronische Krankheit beeinträchtig sind – beurteilen ihre Arbeitsbedingungen um rund 5 Indexpunkte schlechter als Menschen ohne Behinderungen. Menschen mit starker Behinderungen (4.7% der Arbeitnehmenden) beurteilen die Sicherheit ihrer Anstellung schlechter als Menschen mit leichten Behinderungen (14% der Arbeitnehmenden). Dies kann daran liegen, dass die Arbeitsverhältnisse dieser Personen häufiger befristet und sie an bestimmte Arbeitgebende gebunden sind. Hingegen beurteilen Menschen mit starker Behinderung die Gesundheitsdimension besser als Menschen mit leichten Behinderungen. Dies umfasst insbesondere die Ausstattung des Arbeitsplatzes, die Gesundheitsförderung und körperliche Belastungen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass bei starker Beeinträchtigungen der Arbeitsplatz oder gar die Arbeit häufig angepasst wird.
Notwendige Massnahmen
Dem Umstand, dass vulnerable Gruppen ihre Arbeitsbedingungen durchschnittlich schlechter beurteilen, sollte mit geeigneten Massnahmen begegnet werden. Einerseits sind Massnahmen zu prüfen, die Arbeitnehmenden mit Migrationsintergrund verbesserte Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven bieten und ihr Vertrauen in die Arbeitgebenden stärken. Andererseits sind für Arbeitnehmende mit leichten Behinderungen zusätzliche entlastende Massnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements oder der betrieblichen Sozialarbeit zu entwickeln.
10 Jahre «Barometer Gute Arbeit»
Seit 2015 führt die BFH in Kooperation mit Travail.Suisse jährlich eine repräsentative Umfrage von jeweils rund 1’500 Personen im Alter von 16 bis 64 Jahren durch. Das «Barometer Gute Arbeit» misst die wahrgenommene Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz anhand von 20 Kriterien in den Dimensionen Motivation, Sicherheit und Gesundheit. Die diese können Werte von 0 bis 100 aufweisen. Je höher der Wert ist, desto besser werden die Arbeitsbedingungen von den Arbeitnehmenden beurteilt.
Im Jahr 2024 weist der Totalindex als Mittelwert aus den drei Dimensionen einen Wert von 67.7 auf. Im Jahresverlauf wird ersichtlich, dass sich seit der Coronapandemie im Jahr 2020 in allen drei Dimensionen eine Stabilisierung auf einem höheren Niveau eingestellt hat. Die Qualität der Arbeitsbedingungen scheint sich in diesem Zeitraum merklich verbessert zu haben.
Kontakte:
- Prof. Dr. Tobias Fritschi, Leiter Institut Soziale Sicherheit und Sozialpolitik
- Alissa Hänggeli, Wissenschaftliche Assistentin, Institut Soziale Sicherheit und Sozialpolitik
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