Aussergerichtliche Mediationen im Rahmen von Jugendstrafverfahren helfen den künftigen Umgang zwischen Opfer und Täter oder Täterin zu klären. Obwohl sich dieses Vorgehen in den letzten Jahren bewährt hat und von der Jugendanwaltschaft geschätzt wird, werden Mediationen im Kanton Bern nur selten angewandt.
Bei straffälligen Jugendlichen stehen die gesellschaftliche Integration und die Verhinderung weiterer Taten im Vordergrund. Daher zielt das Jugendstrafrecht primär auf den Schutz und die Erziehung von Jugendlichen und nicht auf deren Bestrafung. Dazu kann die Jugendstrafrechtspflege auf die aussergerichtliche Konfliktbearbeitung durch eine Mediation zwischen Opfer und Täter oder Täterin zurückgreifen. In der Mediation haben die Konfliktbeteiligten die Gelegenheit, das Vorgefallene aufzuarbeiten und einen Ausgleich herzustellen, ohne, dass ein strafrechtliches Urteil gefällt wird.
Dies ist gerade für Jugendliche wichtig, da sie häufig eine gemeinsame Lebenswelt besitzen und sich in vielen Fällen auch nach der Tat schlecht aus dem Weg gehen können. Deshalb thematisiert die Mediation vorwiegend die Zukunft, mit dem Ziel, die Beziehung zwischen Opfer und Täter oder Täterin zu normalisieren und den Umgang mit künftigen Begegnungen im Alltag zu klären. Während die intensive Auseinandersetzung mit dem Opfer für die straffälligen Jugendlichen erzieherischen Charakter aufweist, ermöglicht sie für das Opfer die Anerkennung als Subjekt und reduziert durch die persönliche Begegnung mit dem Täter oder der Täterin oft auch Ängste.
Mediation – ein bewährter aber seltener Ansatz
Eine Studie der Berner Fachhochschule analysierte diese Mediationen im Kanton Bern für die Jahre 2011 bis 2016 und befragte dafür Jugendanwältinnen und -anwälte, Mediationspersonen und Opfer. Im untersuchten Zeitraum wurden 57 straffällige Jugendliche einer Mediation zugewiesen – im Durschnitt also lediglich knapp zehn Fälle pro Jahr, was insgesamt nur 0.8% aller Fälle entspricht. Mediationen in Jugendstrafsachen werden im Kanton Bern somit kaum genutzt, obschon die gesetzlichen Grundlagen einen grossen Spielraum zuliessen.
Erste Ergebnisse der Studie sprechen für einen vermehrten Einsatz von Mediation. Sie lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:
- Jugendanwältinnen und -anwälte betrachten Mediation als ein geeignetes Instrument. Das ist wichtig, da sie mediationsgeeignete Situationen erkennen und die Mediation in Auftrag geben müssen.
- Die durchgeführten Mediationen der letzten Jahre zeigen, dass Mediationen in sehr unterschiedlichen Fällen eingesetzt werden wie beispielsweise bei Delikten physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt sowie bei Sachbeschädigung und Diebstahl. Somit könnten viele Jugendliche davon profitieren.
- Mediation hat sich bewährt. Bei über 95% der durchgeführten Mediationen resultierte am Ende eine Vereinbarung und in der Folge die Einstellung des Jugendstrafverfahrens durch die Jugendanwaltschaft.
Option Mediation – eine Frage der Struktur?
Ein klares Bekenntnis zur Mediation, eine breite Einsetzbarkeit und gute Resultate stehen also der bisher geringen Anzahl durchgeführter Mediationen gegenüber. Gründe dafür sind nicht einfach zu eruieren. Aus den Befragungen wird aber ersichtlich, dass das Potenzial aus Sicht der Mediationspersonen nicht ausgeschöpft ist. Unter anderem fehlen institutionelle Grundlagen für die Zusammenarbeit von Jugendanwaltschaft und Mediationspersonen, die im Kanton Bern mehrheitlich informell geregelt ist. Es existiert zwar eine Gruppe entsprechender Mediationspersonen. Diese ist jedoch lose organisiert. Bei Mediationsbedarf erteilen die Jugendanwaltschaften den Auftrag daher oft direkt an eine Mediationsperson, woraus regional unterschiedliche Zusammenarbeiten entstehen, welche nicht auf einer einheitlichen kantonal definierten Struktur basieren.
Ein Blick über die Kantonsgrenzen hinaus zeigt, dass verbindlichere Strukturen – mit einheitlichen Abläufen und Zuständigkeiten, Indikationskriterien für eine Mediation oder Qualitätsstandards für Mediationspersonen – möglich sind. So betreiben beispielsweise die Kantone Zürich oder Freiburg kantonale Stellen für die Mediation in Jugendstrafsachen und weisen wesentlich mehr Mediationsfälle aus – in Freiburg nahmen in zehn Jahren über 1400 straffällige Jugendliche an Mediationen teil.
Die Schaffung dieser Strukturen ist Ausdruck eines Willens, der Mediation in Jugendstrafsachen Gewicht zu verleihen und deren Einsatz einheitlich und transparent zu gestalten. Das ist im Sinn der Jugendlichen, welche sowohl als Täter oder Täterin als auch als Opfer das Anrecht haben, dass man sie in vergleichbaren Situationen auch gleichbehandelt. Im Kanton Bern wäre der Wille vorhanden, Mediationen regelmässig einzusetzen, doch müssten die Strukturen dazu auch entsprechend gestaltet werden.
Reden statt strafen – Mediation zwischen Täter/Täterin und Opfer im Jugendstrafverfahren
3. April 2019; 18:00-19:00 Uhr; Schwarztorstrasse 48, 3007 Bern
Präsentation der Ergebnisse der Studie «Mediation in Jugendstrafsachen»
Podiumsdiskussion mit:
- Beatrice Lavater (Jugendanwältin, Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland)
- Ursula Mayerthaler Veerhoek (Mediatorin, Stelle für Mediation im Jugendstrafverfahren, Kanton Zürich)
- Joel Stalder (wissenschaftlicher Mitarbeiter, Departement Soziale Arbeit, Berner Fachhochschule)
Kontakt:
Artikel und Berichte:
Literatur und weiterführende Links:
- Staat Freiburg (2015): Zehn Jahre Büro für Mediation in Jugendstrafsachen: Factsheet
- Umbreit, M. S., Coates, R. B., & Vos, B. (2001). Victim impact of meeting with young offenders: Two decades of victim offender mediation practice and research. Restorative justice for juveniles: Conferencing, mediation and circles, 121-143
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