Es gibt viele Dinge, die ein altersfreundliches Quartier ausmachen: Dienstleistungen vor Ort, nahe öffentliche Verkehrsmittel oder einfach eine Bank, um sich kurz hinzusetzen. In rund 30 Spaziergängen liess sich das Institut Alter von älteren Menschen über 75 Jahren Vorzüge und Hindernisse ihres Quartiers zeigen. Nächstes Jahr soll daraus eine Fotoausstellung entstehen. Im Beitrag bietet das Projektteam erste Einblicke in die Resultate.
Für die Jahre 2020 bis 2030 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Dekade des gesunden Alterns ausgerufen. Sie betont darin die Wichtigkeit altersfreundlicher Umgebungen für die Gesundheit älterer Menschen. Diese erlauben es Menschen, ihre Fähigkeiten über die gesamte Lebensspanne einzubringen und weiterzuentwickeln, indem sie etwa die Zugänglichkeit von öffentlichen und privaten Dienstleistungen gewährleisten und zwischenmenschliche Begegnungen ermöglichen. Der wohnortsnahe Sozialraum kann aber auch Barrieren aufweisen, welche die Mobilität älterer Menschen einschränken oder die soziale Teilhabe erschweren. Daraus können negative Konsequenzen für die physische und psychische Gesundheit resultieren.
Das Projekt «In meinen Augen» zeigt Orte des Sozialraums, an denen sich ältere Menschen wohl oder unwohl fühlen. Die fotografische Dokumentation und die Ausführungen der älteren Personen machen so die subjektive Wahrnehmung und Bedeutung der besuchten Orte erleb- und nachvollziehbar. Dadurch will das Projekt ein breites Publikum für die Anliegen älterer Menschen sensibilisieren sowie der Politik und Fachleuten im Bereich Raumplanung/Raumentwicklung Anregungen für eine altersgerechte Ausgestaltung des öffentlichen Raums bieten.
Gerhard Messerli ist Mieter einer Wohnung einer Berner Wohnbaugenossenschaft. Der 79-jährige Wittwer war bis zu seinem Altersrücktritt Personalversicherungs- und Pensionskassenfachmann. Als Mitglied des Projekts Belia der grauen Panther und der Vereinigung aktiver Senioren und Selbsthilfeorganisationen engagiert er sich für eine altersgerechte Zukunft.
«Vor ein paar Monaten musste meine über hundertjährige Nachbarin aus der oberen Wohnung in eine Pflegeeinrichtung ziehen. Nun bin ich der Älteste in der ganzen Siedlung.»
Margrit Bühler-Reich ist 80-jährig und Mieterin einer Alterswohnung in Obersaxen, wo sie gemeinsam mit ihrem Partner Hardy lebt. Das Paar ist noch fit und unternimmt gerne Reisen oder Ausflüge mit dem eigenen Auto. Vor der Pensionierung war Frau Bühler-Reich Haushaltsleiterin in ihrem eigenen Altersheim.
«Wir haben gesehen, wie schwierig der Schritt ins Altersheim für viele Leute war. Wenn es einen Notfall gab, waren die Kinder die Bösen. Es war uns daher wichtig, selbst zu entscheiden, dass wir umziehen – und zwar bevor es nicht mehr anders möglich ist.»
Susanne Kuratli ist 81-jährig und wohnt in ihrer Eigentumswohnung im Breitenrain. Die ehemalige Lehrerin beschreibt sich selbst als altersfreudige Person. Sie ist noch mobil und unternimmt fast jeden Tag einen Spaziergang an der Aare.
«Kürzlich habe ich in einem alten Tagebuch folgenden Satz gelesen, der mir zu meiner Munterkeit verhilft: In uns allen rumort noch eine Zukunft.»
Die rund 30 Quartierspaziergänge mit Personen im Alter 75+ brachten einen reichhaltigen Datenkorpus von Fotos und Interviews hervor, der noch vertieft ausgewertet wird. Aus den Fotografien, den Ausführungen der teilnehmenden Personen und einer wissenschaftlichen Einbettung soll bis Juni 2023 eine Ausstellung entstehen, die sich an Vertreter*innen der Stadtentwicklung, Raumplanung und Quartierarbeit sowie an die breite Öffentlichkeit richtet.
Kontakt:
- Michelle Bütikofer, wissenschaftliche Assistentin, Institut Alter
- Prof. Dr. Jonathan Bennett, Co-Leiter Institut Alter
- Leonie Beck, BA Vermittlung in Kunst und Design
- Maja Walter, BA Vermittlung in Kunst und Design
Projekte und Partner:
Literatur und weiterführende Links:
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