Gerechte Entlohnung in der Selbstorganisation

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Wenn Verantwortungsrollen in einer Netzwerkorganisation neu verteilt werden, stellt sich früher oder später die Frage, wie dies abgegolten werden soll. Die meisten gängigen Lohnmodelle erlauben keine solche Rollenverteilung über die ganze Organisation. Die Berner Fachhochschule hat eine Organisation auf dem Weg zu einem solchen angepassten Lohnmodell begleitet.

Die sozialpädagogische Organisation SORA begleitet Jugendliche, junge Erwachsene und Familien in anspruchsvollen Situationen. In den letzten Jahren hat sie sich von einer hierarchischen zu einer rollenbasierten Netzwerkorganisation umgestaltet. Grund dafür sind professionelle Anforderungen sowie gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Herausforderungen, die in agilen, innovations- und partizipationsfördernde Organisationsformen einfacher angegangen werden können. Diese Organisationsformen ermöglichen mehr Interdisziplinarität, kurze Feedbackschleifen, iterative Prozesse und kontinuierliches Lernen.

In der Netzwerkorganisation werden lineare, hierarchische Organisationsformen durch das Prinzip des Netzwerks abgelöst: Die Mitarbeitenden agieren beim Ausüben ihrer Arbeit als Expert*innen, dabei werden sie durch gemeinsame Ziele geführt. Die Arbeit erfolgt organisationsübergreifend und die leitenden und die ausführenden Tätigkeiten werden anhand definierter Rollen aufgeteilt. Bei SORA wurden die Führungsaufgaben und rund 200 Verantwortlichkeiten neu in circa 80 Rollen festgehalten, welche Mitarbeitende zusätzlich zu ihrer hauptsächlichen Fachtätigkeit übernehmen können.

Eine neue Rollenverteilung braucht ein neues Lohnmodell

Mit der Einführung dieser Netzwerkorganisation tauchte bei SORA die Frage nach der gerechten Entlohnung auf, die mit der Übernahme einer solchen Rolle einhergeht. Die Organisation beauftrage die Berner Fachhochschule, das Projekt zur Entwicklung eines neuen Lohnmodells zu begleiten. Über rund 6 Monate erarbeiteten interessierte Mitarbeitende die Grundlagen für das neue Lohnmodell in Workshops, die von der BFH inhaltlich und methodisch vorbereitet und moderiert wurden. Dazu wurden auch verschiedene Gespräche mit Organisationen geführt, die bereits ähnliche Lohnmodelle erarbeitet hatten.

Die Workshops behandelten unter anderem:

  • Diskussion und Auswahl möglicher Lohnmodelle
  • Leitsätze zum neuen Lohnmodell und Grundsätze für das neue Lohnreglement
  • Auswahl und Gewichtung von Kriterien für höhere Lohnanteile
  • Zuteilung der Verantwortungen an die verschiedenen Rollen

Das daraus resultierende Lohnreglement und die dazugehörige Berechnungsgrundlage der Lohnbestandteile setzt auf einen einheitlichen Basislohn, auf dem Lohnfaktoren und Lohnanstieg aufbauen. Sie führten nicht nur dazu, dass die Löhne transparent und nachvollziehbar wurden, sondern beinhalten auch mehrere soziale Innovationen:

  • Die Gehaltsspanne wurde eingeschränkt. SORA will damit unterstreichen, dass die unterschiedlichen Tätigkeiten in der Organisation in ihrer Gesamtheit wichtig sind.
  • Der Lohnfaktor berücksichtigt Fach-, Personal-, Finanz- und Organisationsverantwortung. Die Mitarbeitenden stellten in intensiven Diskussionen fest, dass Aspekte wie psychische Belastung, anspruchsvolle Gespräche, Nachtdienste etc. weniger transparent und einheitlich festzulegen sind, als dies bei Verantwortungen der Fall ist.
  • Der Lohnanstieg basiert auf den Altersjahren und nicht auf der Berufserfahrung oder der Anstellungsdauer im Betrieb. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden, dass auch ausserberufliche Erfahrungen (wie Familienarbeit, Reisen, Praktika etc.) in einer Dienstleistungsorganisation mit sozial-gesellschaftlichem Auftrag wichtig sind und zur Erhöhung der Professionalität und der Leistungsqualität beitragen.
  • Der Lohnanstieg wurde degressiv gestaltet, was auch bei anderen Lohnmodellen der Trend ist. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass die ältesten Mitarbeitenden immer am meisten verdienen.
  • Auf Leistungskomponenten wurde verzichtet. Die Mitarbeitenden von SORA sind der Ansicht, dass ihre Arbeit per se belohnt werden soll. Einzelne Leistungen als lohnrelevant zu betrachten, sei mit den Werten und dem professionellen Verständnis der Mitarbeitenden nicht vereinbar.

Der partizipative Prozess ist entscheidend

Die breite Partizipation der Mitarbeitenden bei allen Erarbeitungsschritten stellte sicher, dass das Vorgehen und das schlussendliche Resultat von diesen unterstützt und akzeptiert wurde. Wie das neue Lohnmodell wirken wird, wird sich jedoch erst nach der Implementierung zeigen. Die Diskussionen in den Workshops und die vielen Learnings aus dem spannenden Prozess stimmen zuversichtlich. Sie sind zudem eine gute Basis, um künftig weitere soziale Organisationen in diesem Bereich begleiten zu können.

 


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