Bin ich eigentlich schon alt? Und wie stehe ich dazu, alt zu werden? Ewige Jugend, wäre das die willkommene Alternative zum Älterwerden? Zu diesen Fragen und zu vielen mehr regt die Ausstellung «forever young. Willkommen im langen Leben» des Berner Generationenhaus an.
Schon der Eintritt in die Ausstellung ist ein derart sinnliches Erlebnis, dass man am liebsten gleich umkehren und noch ein zweites Mal in den Vorraum eintauchen möchte, der als ein mit Fadenvorhängen verschleiertes Spielgekabinett den Geburtsprozess und damit den Beginn des Alterungsprozess simuliert. Doch der Geburtskanal ist bekanntermassen eine Einbahnstrasse, also wage ich die Umkehr nicht.
Alter – ein Gewinn- oder Verlustgeschäft?
Schon zieht die nächste Station mein Interesse auf sich: Eine Tartanbahn weckt meinen sportlichen Ehrgeiz. Die rote Lebens-Laufbahn visualisiert die Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung im letzten Jahrhundert. Während für die älteren Geburtsjahrgänge das Ziel der Lebens-Laufbahn – also das Ableben – nur allzu nahe liegt, befindet es sich für die jüngste Generation in weiter Ferne. Ich stelle mich auf die mittlere Bahn und schiele etwas betreten nach rechts auf die deutlich längere Lebens-Laufbahn der nach mir geborenen. Nun denn, es kommt ja nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität des Lebens an. Und tatsächlich, die Wand neben mit zeigt auf einen Blick, welche Verluste die Langlebigkeit mit sich bringt: Schnelligkeit, Ausdauer, Muskelkraft und die Intelligenz nehmen mit zunehmendem Alter ab. Auch das Vermögenspolster schrumpft. Wer sehnt sich da schon nach einer möglichst langen Lebens-Laufbahn, um deren letzte Meter nur noch mit Hilfe des Secondhand-Rollators zurücklegen zu können? Ein differenzierter zweiter Blick zeigt jedoch, dass andere Indikatoren wie die Lebenszufriedenheit, emotionale Stabilität und Gewissenhaftigkeit mit steigendem Alter eine positive Entwicklung durchlaufen. So erscheinen mir ältere Personen plötzlich als besonders attraktive Sozialpartner, was meine kleine Tochter aufgrund ihrer innigen Beziehung zum Grossvater sicherlich unterschreiben würde.
Ewige Jugend – nur etwas für Reiche?
Was kann ich nun also tun, um an meiner Langlebigkeit zu arbeiten? Vermeintliche Jungbrunnen gibt es viele. Dies veranschaulicht das Anti-Aging Labor der Ausstellung. Angebote wie Augen- und Armstraffung, Blut-Drinks, Pillen und Crèmes zu sagenhaften Preisen versprechen, den Traum ewiger Jugend zu verwirklichen. Dass sich nicht alle solche Behandlungen leisten können, haben auch Firmen wie Apple oder Facebook erkannt. Daher unterstützen sie ihre Mitarbeiterinnen darin, dem biologischen Alter ein Schnäppchen zu schlagen: Durch das Einfrieren der Eizellen soll die Fruchtbarkeit konserviert und das Kinderkriegen auf eine spätere Lebensphase verschoben werden. Ob das tatsächlich eine zielführende Massnahme ist, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, sei dahingestellt.
Ab wann ist man alt?
Doch zurück zum eigenen Alter: Ist es nun an der Zeit, die am letzten runden Geburtstag präventiv erstandene Faltencrème aufzuschrauben und mich dem nahenden Alter salbend in den Weg zu stellen? Und überhaupt: Bin ich schon alt? Zur dieser Frage erhalte ich in einer Videoinstallation Auskunft von 100 Menschen jeglichen Alters. Zu meiner Erleichterung stelle ich fest, dass sich auch deutlich ältere Personen als ich noch als jung bezeichnen. Anscheinend sind es die Vierziger, die den Wendepunkt zwischen jung und alt darstellen, denn nur knapp die Hälfte der Antwortenden dieser Alterskategorie bezeichnen sich noch als jung. Bei den Personen in den Dreissigern sind es noch mehr als zwei Drittel.
Die Angst vor dem Alter
Doch woher kommt die Angst davor, alt zu werden? Wovor fürchten wir uns? In einer repräsentativen Befragung zu den Altersbildern der Gegenwart gibt die Deutschschweizer Bevölkerung Auskunft über die Ängste, welche sie mit dem Alter verbinden. Auf andere angewiesen zu sein, nahe Menschen zu verlieren, Fremdbestimmung und Einsamkeit zu erleben, das sind Vorstellungen vom Alter, denen die meisten lieber entgehen möchten. Doch wären wir wirklich bereit, dafür den Preis des ewigen Lebens zu bezahlen?
Impulstagung Soziale Innovation
#1 Fokus Ageing Society
6./7. September 2019, in Bern
Das Berner Generationenhaus, die Berner Fachhochschule sowie das Schweizer Netzwerk Soziale Innovation laden zu einer interdisziplinären Tagung u.a. mit Impulsreferaten von
– Dr. Stephan Sigrist (The W.I.R.E)
– Prof. Dr. Jonathan Bennett (Institut Alter)
– Dr. Markus Zürcher (SAGW)
– Prof. em. Dr. Otfried Höffe (Philosoph)
Kontakt:
Partner und Projekte:
- Berner Generationenhaus: forever young. Willkommen im langen Leben
- Impulstagung Soziale Innovation #1 Fokus Ageing Society
Literatur und weiterführende Links:
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