Neue Wege in der Sozialhilfe: Stadt Biel nutzt das Potenzial von Gruppen

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Foto: Oliver Slappnig

Was bewirkt das Gruppensetting in der Sozialberatung? Der Sozialdienst Biel erhofft sich davon unter anderem, dass die Sozialhilfebeziehenden schneller wirtschaftlich unabhängig werden. Das Pilotprojekt namens «Fokus Arbeit» wird derzeit von der BFH begleitet und evaluiert. Ein Besuch vor Ort zeigt, wie das Gruppensetting funktioniert.

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Beim Betreten des Gebäudes fällt als Erstes die Kälte auf. Es ist ein älteres Bürogebäude mit mehreren Etagen. Im Treppenhaus herrscht reger Betrieb. Man spürt, dass sich hier etwas bewegt. Gelächter und Unterhaltungen in Deutsch und Französisch begleiten die Besucherin auf dem Weg zu den Arbeitsräumen in die oberen Etagen. Dort finden die sogenannten Ateliers statt. «Schön, dass du da bist». Mit diesen Worten begrüsst eine freundliche Coachin die Teilnehmenden.

Die Einstiegsrunde

Der gemeinsame Austausch beginnt. Heute startet es damit, dass sich die Teilnehmer*innen ein Bild aussuchen. An einem mittelgrossen runden Tisch sitzen sie zu viert, dazu kommen eine Praktikantin der Sozialen Arbeit und die erwähnte Coachin, eine ausgebildete Sozialpädagogin. Alle suchen sich ein passendes Bild aus. Währenddessen wird geredet und gelacht. Es herrscht eine positive Stimmung. Jede und jeder bringt die eigene Geschichte und das eigene Schicksal mit in den Raum. Dies zeigt sich nun, da jede Person ihr Bild hochhält und den anderen den Grund für die Wahl erklärt. Auf dem Bild einer Teilnehmerin steht «Ich schaffe das».

Heute sollen die Sozialhilfebeziehenden an ihrem Kompetenzprofil arbeiten. Die Teilnehmenden haben hierfür ein eigenes Arbeitsblatt, das sie bereits teilweise ausgefüllt haben. Die Coachin holt eine blaue Pinnwand. Darauf befestigt sind vorgeschriebene Kärtchen mit Hinweisen, worauf beim Geben eines Feedbacks zu achten ist. Nun besprechen alle zusammen, wie man jemandem ein Feedback geben kann. Anhand von Beispielen wird dies illustriert. Es ist eine theoretische Vorbereitung für die anschliessende praktische Übung.

Doch plötzlich steht ein weiterer Teilnehmer an der Tür und begrüsst die Gruppe mit einem Witz. Alle lachen und sind erfreut, dass die Runde für heute komplett ist. Nach dem kurzen Unterbruch arbeitet die Gruppe weiter. Die Teilnehmenden bringen sich ein, sie nennen eigene Beispiele und sprechen über ihre Erfahrung mit Feedbacks. Sie diskutieren darüber, was ein gutes und schlechtes Feedback sein könnte. Es ist ein lockerer Umgang. Die Coachin nutzt die Gelegenheit fast nebenbei, um den Beteiligten Wissen mitzugeben zu guter Feedbackkultur. Man merkt, die Übung bringt einige Teilnehmende dazu, über das eigene Verhalten nachzudenken.

Zeit für individuelle Anliegen

Zur Arbeit am eigenen Kompetenzprofil gehört auch die Einschätzung durch die Coachin. In einem persönlichen Gespräch gibt sie jeder und jedem ein Feedback zu den Kompetenzen, die sie oder er während den vergangenen Tagen im Austausch mit der Gruppe erarbeitet hat. Die Coachin nimmt sich genügend Zeit für die individuellen Feedbacks. Gemeinsam mit der Teilnehmerin oder dem Teilnehmer geht sie die Einzelheiten durch. Dabei sieht diese*r, was die Coachin schriftlich festhält. Die Transparenz ist sehr wichtig für die Teilnehmenden, denn es ist vorgesehen, dass der Sozialdienst über die Kompetenzen in Kenntnis gesetzt wird. «Es gibt nichts, was ich an den Sozialdienst weiterleite, das die Teilnehmenden nicht bereits selbst gesehen haben», sagt die Coachin.

Die Coachin nimmt sich zwischendurch Zeit für individuelle Anliegen der Teilnehmenden. In der Pause sitzt sie mit einer Teilnehmerin zusammen. Diese hat noch ein paar Fragen zu ihrem Kompetenzprofil. Auch während des Gesprächs in der Gruppe achtet die Coachin darauf, dass alle Gelegenheit erhalten, sich zu äussern.

 

Manchmal komme es vor, dass Teilnehmende noch später dazu stossen als der Letzte heute, oder jemand komme gar nicht, erzählt die Coachin später. Dann sei Flexibilität gefragt. «Mir ist es ein grosses Anliegen, dass alle Teilnehmenden aus meiner Gruppe die Übungen machen können. Wenn jemand nicht anwesend ist, dann wird eine Lösung gesucht: Die Übung wird in einer anderen Gruppe durchgeführt oder sie erhalten zwischendurch Zeit, dies nachzuholen», sagt die Coachin.

Die Gruppe

Nach der Pause wird gemeinsam am Kompetenzprofil weitergearbeitet. Die Gruppe trifft sich hierfür erneut im Zimmer. Alle sitzen wieder an ihrem Platz am Tisch. Nun sind die Teilnehmenden an der Reihe. Die erste Freiwillige meldet sich. Sie beginnt mit ihrer Selbsteinschätzung. Die anderen Teilnehmenden hören gespannt zu. Danach teilen ihr alle mit, wie sie selbst sie einschätzen. Dabei wenden sie das Erlernte an. Sie bemühen sich sichtlich, ein richtiges Feedback zu geben. Die Teilnehmenden ermutigen sich dabei gegenseitig und geben sich Tipps mit auf den Weg. Die Stimmung ist angenehm, man merkt, dass sie zueinander eine Art Vertrauen aufgebaut haben. Sie gehen respektvoll miteinander um. Generell fällt auf, wieviel miteinander gelacht wird und wie lebhaft der Austausch ist. Trotz der unterschiedlichen Hintergründe ist eine Art Kollegialität spürbar.

Die Abschlussrunde

Die Zeit vergeht für die Beobachterin wie im Flug. Schon folgt die Abschlussrunde, wiederum in Form eines Feedbacks. Die Teilnehmenden sollen ein solches zum gemeinsamen Gespräch am runden Tisch geben, das im Rahmen des Projekts «Fokus Arbeit» als Pilot durchgeführt wird. Alle melden sich zu Wort. Es zeigt sich ein klares Bild: «Die Gruppengespräche sind nicht so künstlich wie andere Massnahmen», formuliert es ein Teilnehmer. Die Besucherin kann das nachvollziehen. Der Eindruck bleibt, dass diese Form des Austausches einen Rahmen bietet, in dem die Individualität jedes Einzelnen berücksichtigt wird und wo ohne Druck etwas gelernt werden kann. Die Teilnehmenden scheinen gerne zu kommen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Kundenmagazin Impuls veröffentlicht. In der Webstory zum Magazin finden Sie zudem ein Interview mit Andreas Guggiberg, dem Leiter des Projekts «Fokus Arbeit».

 


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