Im Rahmen des Projekts «Arbeitsmarkt 45+» berechnete die Berner Fachhochschule die Auswirkungen von altersabgestuften Pensionskassenbeiträgen auf Löhne und Arbeitslosigkeit. Dies tat sie anhand der BVG-Revision 2005 und der darin enthaltenen Beitragssenkung für Frauen. Die Resultate widersprechen den gängigen Erwartungen und stellen die aktuelle Forderung nach altersunabhängigen Beiträgen in Frage.
Im Alter ansteigende Pensionskassenbeiträge werden oft als diskriminierend betrachtet. Bei älteren Arbeitnehmenden sollen sie zu einer längeren Arbeitslosigkeit und bei jüngeren Arbeitnehmenden zu einer niedrigeren Gesamtentschädigung (Lohn plus weitere Leistungen) führen. Diese Annahmen führten in vielen Ländern zu altersneutralen Beiträgen. So ging in den USA der Übergang vom Leistungsprimat hin zum Beitragsprimat mit einer Umstellung auf altersneutrale Beiträge einher. In Finnland wurden die altersabhängigen Pensionskassenbeiträge im Jahr 2007 abgeschafft und in Dänemark wurde 2013 gegen sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. In der Schweiz lancierte die Gruppe «Workfair 50+» kürzlich die Volksinitiative «Arbeit statt Armut», die Pauschalbeiträge für die zweite Säule fordert.
Bisher konnte der angenommene Diskriminierungseffekt gestaffelter Pensionskassenbeiträge jedoch nicht definitiv nachgewiesen werden. Studien aus England und den USA deuten darauf hin, dass Unternehmen mit ansteigenden Pensionskassenbeiträgen weniger ältere Personen einstellen. Auch in Europa gibt es Hinweise, dass Strafsteuern auf Entlassungen älterer Arbeitnehmender Unternehmen davon abhalten, diese überhaupt erst einzustellen. Mit dem Alter ansteigende Pensionskassenbeiträge könnten vermutlich ähnliche Auswirkungen haben.
Auswirkungen veränderter Rentenbeiträge
Im Jahr 2005 wurde in der Schweiz das Rentenalter der Frauen von 62 auf 64 Jahre erhöht. Um die zusätzlichen Beitragsjahre auszugleichen, wurden die Beitragssätze für Frauen teilweise zwischen 3 und 5 Prozentpunkte gesenkt (siehe interaktive Grafik). Aufgrund dieser Änderung können die Auswirkungen von Pensionskassenbeiträgen auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, das Einkommen bei einer Neuanstellung und die Wahrscheinlichkeit einer Neuanstellung für Frauen in der Schweiz berechnet werden. Dies geschieht, indem von der Reform betroffene arbeitstätige Frauen mit solchen verglichen werden, die keine Veränderung des Beitragssatzes erfahren haben. Da diese Differenzschätzung (Difference-in-Difference) allein auf Beitragsreduktionen für Frauen basiert, muss deren Aussagekraft jedoch mit Sorgfalt betrachtet werden. Es ist nicht zwingend, dass sich bei einer Umstellung auf altersneutrale Beiträge – was für gewisse Altersabschnitte zwangsläufig auch Erhöhungen mit sich bringt – vergleichbare Effekte für Frauen und Männer einstellen.
Betrachtet man die Auswirkungen der gesenkten Pensionskassenbeiträge, so erkennt man, dass die davon betroffenen Frauen 2,11 Tage weniger lang arbeitslos waren, einen durchschnittlichen Lohnanstieg von 106 CHF/Monat verzeichneten und eine um 0,5 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit hatten, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Vergleicht man die drei von der BVG-Revision 2005 betroffenen Altersgruppen (32-34 Jahre, 42-44 Jahre, 52-54 Jahre), so stellt man fest, dass die Arbeitgebenden stärker auf die Beitragsreduktionen der jüngeren Arbeitnehmerinnen reagierten – bei einem wettbewerbsfähigen Arbeitsmarkt für junge Leute ein logisches Szenario. Für jeden tieferen Prozentpunkt waren junge Arbeitnehmerinnen einen Tag weniger arbeitslos, verdienten 40 CHF/Monat mehr und hatten eine um 0,3 Prozentpunkte höhere Chance, im ersten Arbeitsmarkt wieder Fuss zu fassen. Bei der mittleren Altersgruppe waren die Auswirkungen etwa halb so hoch und die älteren Arbeitnehmerinnen erlebten keinen dieser Effekte.
Kein Effekt bei älteren Frauen
Was bedeuten diese Resultate nun für die Politik? Wenn hohe Pensionskassenbeiträge nur Arbeitnehmende mittleren und jüngeren Alters betreffen und höhere Beiträge für ältere Arbeitnehmende weder bei der Dauer der Arbeitslosigkeit, noch beim Einkommen bei einer Neuanstellung noch bei der Wahrscheinlichkeit einer Neuanstellung einen zusätzlichen negativen Effekt erzeugen, gibt es wenig Gründe, die dafür sprechen die Beiträge zu harmonisieren. Angenommen, der Beitragssatz würde zum Beispiel auf 12% harmonisiert, so müssten jüngere Arbeitnehmende sogar mit einem niedrigeren Einkommen rechnen – was gemäss den obigen Schätzungen bis zu 200 CHF weniger Lohn pro Monat ausmachen könnte.
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Literatur und weiterführende Links:
- Behaghel , Luc, Bruno Crépon, and Béatrice Sédillot. 2008. “The perverse effects of partial employment protection reform: The case of French older workers.” Journal of Public Economics 92: 696–721.
- Bundesamt für Statistik: Individualkontodaten zur Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV, Frauen von 25 bis 62 Jahren zwischen 2003 bis 2006
- Garen, John, Mark Berger, and Frank Scott. 1996. “Pensions, Non-Discrimination Policies, and the Employment of Older Workers.” The Quarterly Review of Economics and Finance 36(4): 417-429.
- Hirsch, Barry T., David A. Macpherson, and Melissa A. Hardy. 2000. “Occupational Age Structure and Access for Older Workers.” Industrial and Labor Relations Review 53(3): 401-418.
- HK Danmark v Experian. 23.11.2013. “Case C-476/11.” Official Journal of the European Union C 344/12.
- Ilmakunnas, Pekka and Seija Ilmakunnas. 2015. “Hiring Older Employees: Do the Age Limits of Early Retirement and the Contribution Rates of Firms Matter?” Scandinavian Journal of Economics 117(1): 164–194.
- Workfair 50+: Eidgenössische Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut»
2 Kommentare
Daniel Schaufelberger
Besten Dank für diesen Beitrag. Wenn ich richtig verstehe, wurden von der Reform betroffene arbeitstätige Frauen mit Frauen verglichen, die keine Veränderung des Beitragssatzes erfahren haben? Es wurde also der Effekt einer Reduktion des Beitragssatzes verglichen.
Aufgrund der Ergebnisse die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die angenommenen Diskriminierungseffekte gestaffelter Pensionskassenbeiträge zwischen Alt und Jung keine Rolle spielen, scheint mir da etwas abenteuerlich. Bei der Ideen der altersunabhängigen Beiträge geht’s ja darum, dass Ältere im Vergleich zu Jungen mehr kosten und dieser Punkt einen Effekt im Selektionsverfahren hat. Sie untersuchten die Auswirkkungen von Beitragsreduktionen aber nicht die Harmonisierung zwischen den Altersgruppen. Das ist ein Unterschied oder mögen Sie mir das erklären?
Dani Schaufelberger
BFH-Zentrum Soziale Sicherheit
Lieber Daniel Schaufelberger
Danke für Ihren Kommentar. Ja wir vergleichen die Veränderungen der «Experimental-Gruppe» (32-34, 42-44 und 52-54 Jahre) vor und nach den Jahr 2005 mit den Veränderungen von allen anderen in der «Kontroll-Gruppen» vor und nach dem Jahr 2005. Wir fanden heraus, dass die Beiträge ein Einfluss auf die Dauer der Arbeitsuche und das Einkommen nach Wiedereinstellung haben, aber dass diese Effekte sich eher bei der jüngeren Gruppe (32-34) als bei der älteren (52-54) einstellen.
Sie fragen mich: «Sie untersuchten die Auswirkungen von Beitragsreduktionen aber nicht die Harmonisierung zwischen den Altersgruppen. Das ist ein Unterschied oder mögen Sie mir das erklären?»
Wir können nur untersuchen, was wirklich passiert ist in 2005: eine Reduktion von 3 oder 5 Prozentpunkten bei den Beiträgen für Frauen. Eine Harmonisierung, bei der alle gleich viel bezahlen würden, ist offensichtlich nicht das gleiche. Für jüngere Frauen wären die Beiträge dabei höher — etwas das wir nicht untersuchen konnten. Für unsere Grafik wir haben angenommen, dass der Effekte von -3 Punkten sich genau umgekehrt verhält, wie der von + 3 Punkte. Da wir hierzu über kein andere Informationen verfügten, ist es eine plausible Annahme. Aber ja, es könnte sein, dass Arbeitgeber z.B. eher auf Reduktionen reagieren als auf Erhöhungen, oder dass höhere Beiträge abschreckend wirken, aber niedrigere kaum bemerkt würden…
Auch zu bemerken: Wir haben keine Männer in diesem «Experiment»! Ich glaube tiefer und höher ausgebildete Frauen bleiben eher im Arbeitsmarkt — bei Männer dürften wohl alle bleiben. Wenn es nun einen speziellen Effekt für ältere Arbeitnehmer gibt oder einen für Männer mit mittlerer Ausbildung, sehen wir diesen in unserer Analyse nicht. Diese wären aber wichtig für eine allfällige Reform. Wieder: Ich habe noch keinen Beweis, aber ich denke, dass die Effekte bei schlechter ausgebildeten Personen stärker sind. Wir haben vor die Resultate unserer weiblichen «Experimental-Gruppe» noch nach Einkommen anzuschauen — dies könnte uns erste Hinweise liefern.
Freundliche Grüsse
Debra Hevenstone