Wenn man für ein Familienmitglied Unterstützung sucht, kann man sich leicht im Dschungel der Angebote verlieren – vorausgesetzt man weiss, was man genau benötigt. Das muss nicht sein. In der Region Gantrisch unterstützt seit neustem ein digitaler Angebotsfinder betreuende Angehörige auf der Suche nach dem passenden Angebot. Ein Team der BFH arbeitete mit an der Innovation.
Bis zu seinem Sturz war der 85jährige Paul Mühlethaler vollkommen unabhängig. Seine Frau war Jahre zuvor gestorben und er lebte er nicht unweit seiner verheirateten Tochter und deren Familie. Mit dem Unfall von Paul Mühlethaler jedoch fand sich seine Tochter Emilia Keller von einem Tag auf den anderen in die Rolle der betreuenden Angehörigen wieder. Sie wollte den Wunsch ihres Vaters, möglichst lange zuhause in gewohnter Umgebung zu bleiben, unbedingt erfüllen. Doch mit Familie und Beruf überstieg die Betreuung ihre Kräfte. Wie kann sie nun rasch eine passende Lösung finden?
Wie oder ähnlich wie Emilia Keller geht es vielen Angehörigen, die unerwartet in eine Betreuungssituation geraten. Sie brauchen schnell die richtige Unterstützung. In der unübersichtlichen Angebotslandschaft finden sie sich jedoch nur schwer zurecht. Tatsächlich existieren viele Angebote für die Betreuung oder Pflege von älteren Menschen. Diese werden von freiwilligen Helfenden, privatwirtschaftlichen Einrichtungen, Non-Profit-Organisationen oder staatlichen Stellen angeboten. Die lokalen und regionalen Angebote sind in der Regel aber nicht miteinander vernetzt, sie sind kaum aufeinander abgestimmt und manchmal sehr teuer. Zu wissen, was man braucht, die einzelnen Angebote ausfindig zu machen und auf den Unterstützungsbedarf hin zu überprüfen, ist eine zeitaufwändige und anspruchsvolle Aufgabe.
Mit wenigen Fragen zum passenden Angebot
Das Altersnetzwerk Gantrisch unterstützt Angehörige und ältere Menschen bei der Suche nach passenden Angeboten. Der Verein setzt sich dafür ein, dass Senior*innen möglichst lange selbständig zuhause bleiben können, und vernetzt in der Region die Akteur*innen der Altersarbeit. Eine Koordinationsstelle und eine Informationsplattform rund um Altersthemen stehen der Bevölkerung zur Verfügung. Um Personen wie Emilia Keller zusätzliche Hilfestellungen zu bieten, betreibt der Verein die Website Franz&Vroni. Von der Firma Domicura entwickelt, stellt die Informationsplattform nicht nur die bestehenden Angebote der Region vor. Sie gibt mit Erfahrungsberichten auch den Nutzer*innen der Angebote eine Stimme, beantwortet die häufigsten Fragen und hilft mit einem Angebotsfinder, auf ein individuelles Bedürfnis die passgenaue Lösung zu finden.
Die Innovation des Angebotsfinders besteht darin, den Suchenden mit Hilfe einiger Fragen eine bedürfnis- und bedarfsorientierte Auswahl von geeigneten Angeboten zu unterbreiten. Der Angebotsfinder funktioniert dreistufig. Zuerst kann auf der Webseite der Betreuungsbedarf der hilfebedürftigen Person eingeschätzt werden: ist er punktuell, mittel oder hoch. Danach folgt eine Reihe von Fragen, um den Unterstützungsbedarf in allen Lebensbereichen zu ermitteln – unter anderem Mobilität, Finanzen, Wohnen, Haushaltsführung oder Gesundheitsversorgung. Jeden Bereich stufen die Suchenden von «kein Bedarf» bis «hoher Bedarf» ein. Zuletzt präsentiert der Angebotsfinder das Resultat: die nach Relevanz sortierten und in der gewählten Ortschaft verfügbaren Angebote. In wenigen Minuten gelangt man so zu den relevantesten der rund 150 Angebote der Region Gantrisch.
Eine Plattform mit Potential
Der Angebotsfinder unterstützt Personen, die neu Aufgaben als betreuende Angehörige übernehmen, damit sie sich in der Angebotslandschaft rascher und besser orientieren. Er dient aber auch Altersstellen und Hausärzt*innen, um Angebote zu vermitteln und Hilfe suchende Personen kompetent zu beraten. Zudem macht er die Angebote von Organisationen sichtbarer. Das Altersnetzwerk Gantrisch ist die erste Organisation, welche den Angebotsfinder für ihre Region aktiviert hat. Weitere Regionen folgen. So lancierte die Region Fricktal kürzlich eine eigene Plattform.
Emilia Keller gelang es, ein Unterstützungsnetzwerk aufzubauen, so dass ihr Vater weiterhin zuhause leben kann. Sie übernahm die Koordination, ein Nachbar schaut täglich vorbei, und zusätzlich wird Paul Mühlethaler von der Spitex Haushaltshilfe, dem Mahlzeitendienst und dem Fahrdienst für die Besuche beim Hausarzt begleitet.
Kontakt:
- Dr. Claudia Michel, Dozentin, Institut Alter
- Sabrina Gröble, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Innovationsfeld Psychosoziale Gesundheit, Departement Gesundheit
- Lisa Loretan, Altersbeauftragte der Region Gantrisch
- Remo Tschuy, Mitgründer Domicura
Projekte und Partner:
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