In Kriens besuchen Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten gemeinsam mit ihren Eltern das Familienklassenzimmer. Hier steht das voneinander Lernen im Vordergrund und es wird sowohl den Kindern als auch den Eltern ermöglicht, sich mit den Herausforderungen der Schule sowie jenen zu Hause auseinanderzusetzen. Davon profitieren nicht nur die Kinder; durch den Austausch mit anderen Eltern finden die Mütter und Väter das Vertrauen in ihre Erziehungskompetenzen wieder.
Vor zweieinhalb Jahren startete die Primarschule in Kriens ein Pilotprojekt mit zwei Familienklassenzimmern. Ein Familienklassenzimmer ist ein Ort, an dem Eltern und Kinder gemeinsam die Schule besuchen. Eltern von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten begleiten diese an einem Vormittag pro Woche in die Schule – und lernen dabei selbst etwas. Die BFH begleitete das Projekt wissenschaftlich und befragte dazu die beteiligten Eltern, Kinder, Lehr- und Fachpersonen.
Kinder und Eltern zusammen in einer Klasse
Das Familienklassenzimmer orientiert sich an der Multifamilientherapie. Demnach sollen sich Eltern mit ähnlichen Schwierigkeiten in der Erziehung begegnen, um sich über ihre Herausforderungen auszutauschen und sich gegenseitig in der Lösungsfindung zu unterstützen. Wenn Eltern sehen, dass andere Eltern ähnliche Erfahrungen machen, fällt es ihnen leichter, sich zu öffnen und über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Der Austausch in der Gruppe stärkt die Selbstachtung und Handlungsfähigkeit der Eltern. Dies schafft Möglichkeiten für Veränderung.
Hier setzt das Familienklassenzimmer an: Kinder, die in der Regelklasse Schwierigkeiten zeigen Regeln einzuhalten und sich in den gegebenen Strukturen zurechtzufinden, besuchen einmal pro Woche gemeinsam mit einem Elternteil das Familienklassenzimmer. Dieses bietet Platz für fünf bis acht Eltern-Kind-Paare, der Ein- und Austritt sind jederzeit möglich. Geführt wird das Familienklassenzimmer von einer Fachperson und einer Lehrperson.
Das Familienklassenzimmer hat einen festen Ablauf, soll den Eltern und Kindern aber auch genügend Raum für aktuelle Themen lassen. Die Besprechung der jeweiligen Wochenziele stellt dabei das zentrale Element dieses Vormittags dar. Dabei werden die Entwicklungsschritte von den Teilnehmenden gemeinsam besprochen und gewürdigt. Daneben gibt es spielerische und schulische Elemente, ein Erfahrungsaustausch zwischen den Eltern und beziehungsfördernde Aktivitäten.
Eltern fühlen sich nicht mehr allein
Die Evaluation der BFH über das Krienser Pilotprojekt kommt zu einem vorwiegend positiven Schluss. Die Teilnehmenden mögen die offene und ungezwungene Atmosphäre in der Gruppe und schätzen den Ansatz des Familienklassenzimmers, der auf die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen von Kindern und Eltern setzt und auf diesen aufbaut. Die Eltern gewinnen dadurch Sicherheit in Erziehungsaufgaben, vertrauen auf ihre eigenen Kompetenzen und fühlen sie sich durch die Unterstützung der anderen Eltern weniger alleine.
«Früher habe ich immer gedacht, dass nur mein Sohn in der Schule Probleme macht und der Lehrer nur bei uns zu Hause anruft. Aber jetzt habe ich mich gut gefühlt. Ich habe gedacht, ah, andere haben auch Probleme.» Eine Mutter
Auf Seiten der Kinder waren die Resultate weniger eindeutig: Einige Kinder änderten ihr Verhalten zu Hause und in der Schule deutlich. Sie hielten sich vermehrt an Regeln und lösten ihre schulischen Aufgaben konzentrierter, strukturierter und zuverlässiger. Ebenfalls verbesserte sich der Umgang mit Mitschülerinnen und Mitschülern sowie mit den Lehrpersonen. Jedoch gab es auch Kinder, die durch das Projekt Familienklassenzimmer weniger Fortschritte machten.
Das Familienklassenzimmer erweist sich in vielen Fällen als ein wirkungsvolles Angebot, das die Kooperation von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrpersonen stärkt und diese dadurch fördert. Daher führt Kriens das Projekt seit Kurzem auch in der Oberstufe fort.
Kontakte
Artikel und Berichte
- Volksschule Kriens. (2013). Familienklassenzimmer an der Volksschule Kriens. Kriens: Volksschule.
- Disler, Stephanie. (2016). Familienklassenzimmer: Wo Kinder und Eltern gemeinsam Schule machen. In: impuls 2/2016
Literatur
- Asen, Eia & Scholz, Michael. (2009). Praxis der Multifamilientherapie. Heidelberg: Carl-Auer.
0 Kommentare