Eltern mit risikoreichem Substanzkonsum: Ein verbreitetes Phänomen

Foto: istock.com/shironosov

Wenn Eltern übermässig Alkohol trinken, rauchen oder andere Substanzen konsumieren, hat dies negative Folgen für ihre Kinder. Eine neue Studie der BFH liefert nun Zahlen zur Tragweite der Problematik in der Schweiz.

Corona ist allgegenwärtig. Das Virus ist jedoch nicht die einzige gesundheitliche Herausforderung, die es zu meistern gilt. So verursachen nichtübertragbare Krankheiten und Sucht ebenso Leid und Kosten für das Gesundheitssystem und deren Prävention stellt auf längere Sicht eine entscheidende Aufgabe dar. Um das Suchtrisiko zu kontrollieren, entwickelt das Bundesamt für Gesundheit BAG ein Monitoringsystem mit zahlreichen Indikatoren, die sich auf den Konsum gesundheitsschädlicher Substanzen beziehen.

Zahlen zu Kindern, deren Eltern risikoreich konsumieren, standen bisher keine zur Verfügung, obwohl bei ihnen Verhaltensauffälligkeiten, soziale Probleme oder auch körperliche Beschwerden gehäuft auftreten. Aus präventiver Sicht ist eine verlässliche Datengrundlage für die gezielte Arbeit mit Risikohaushalten besonders wichtig. Vor diesem Hintergrund verfasste die BFH im Auftrag des BAG eine Studie, die eine tiefgehende Analyse dieses Phänomens bietet und die Grundlage für den neu erstellten Indikator «Kinder aus Familien mit risikoreichem Substanzkonsum» des Monitoring-Systems bildet.

Ausmass der Problematik

In der Schweiz wachsen 5.8 Prozent aller Kinder (entspricht ca. 73’000 Kinder) in einer Familie mit risikoreichem Alkoholkonsum auf. Gar 31.3 Prozent (ca. 400’000 Kinder) haben mindestens einen Elternteil, der täglich Nikotin konsumiert. Bei 5.8 Prozent (ca. 74’000 Kinder) rauchen die Eltern regelmässig zu Hause und die Kinder sind dem schädlichen Passivkonsum besonders stark ausgesetzt. Der Konsum von illegalen Substanzen wie Cannabis, Kokain oder anderen Drogen ist zwar seltener, aber immerhin 1.8 Prozent (ca. 23’000 Kinder) wachsen in einer Familie auf, in der die Eltern mindestens eine dieser Substanzen konsumieren. Gemäss recherchierten Werten aus anderen Studien steht die Schweiz besser da als andere Länder. Im internationalen Vergleich sind in der Schweiz weniger Kinder durch risikoreichen Konsum ihrer Eltern gefährdet.

Abbildung: Kinder aus Familien mit Risikoreichem Substanzkonsum
Anteil der betroffenen Kinder in % und Anzahl Kinder | vgl. interaktive Visualisierung OBSAN | Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB, 2017). Berechnungen BFH

Risiko- und Schutzfaktoren

Die Resultate zeigen, dass die Haushaltsform in einem starken Zusammenhang mit dem Konsum von Substanzen steht. Am häufigsten tritt ein risikoreicher Konsum bei Einelternhaushalten auf – sowohl bei Alkohol, wie bei Nikotin, als auch bei illegalen Drogen. Entsprechend stark betroffen sind alleinerziehende Mütter. Insgesamt gesehen weisen die Väter jedoch einen markant risikoreicheren Konsum auf als die Mütter. Auch das Alter – sowohl der Kinder als auch der Eltern – beeinflusst die Wahrscheinlichkeit eines risikoreichen Konsums. Eltern von Kleinkindern konsumieren deutlich seltener. Sind die Kinder älter, so konsumieren die Eltern öfter risikoreich. Das legt die Vermutung nahe, dass Kleinkinder den Substanzkonsum ihrer Eltern positiv beeinflussen. Bei den Eltern zeigen sich gemäss deren Alter unterschiedliche Muster: mit zunehmendem Alter steigt das Risiko eines problematischen Alkoholkonsums, dafür rauchen junge Eltern eher.

Familien mit tiefem Einkommen stärker betroffen

Es ist bekannt, dass soziale Ungleichheiten eng mit dem Auftreten von Suchtproblematiken sowie mit gesundheitlichen Problemen im Allgemeinen verknüpft sind. Die vorgenommenen Analysen zeigen, dass Kinder aus Familien mit tiefen Einkommen über alle Substanzkategorien hinweg am häufigsten von der elterlichen Suchtproblematik betroffen sind. Etwas weniger eindeutig sind die Resultate im Zusammenhang mit den Bildungsschichten. Einzig beim Tabakkonsum lässt sich feststellen, dass Eltern mit geringer Bildung ein markant höheres Suchtrisiko aufweisen. Der Migrationshintergrund lässt sich nicht eindeutig als Risikofaktor einstufen. Zwar rauchen Eltern mit Migrationshintergrund häufiger, jedoch weisen Schweizer Eltern eher einen risikoreichen Konsum von Alkohol und illegalen Drogen auf.

Grundlage für Prävention

Die Resultate zeigen: Kinder aus Familien mit risikoreichem Substanzkonsum sind auch in der Schweiz ein problematisches Phänomen mit einer eindeutig sozialen Dimension. Die Erkenntnisse der Studie und der auf ihr basierende Indikator zum Monitoring der entsprechenden Dynamiken sind für die gezielte Entwicklung von Präventionsmassnahmen von grosser Bedeutung. Nun sind Politik und Behörden gefordert, diese wertvollen Grundlagen zum Wohle der Kinder zu nutzen.

 


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