Die Verknüpfung von Daten zu Forschungszwecken – eine gesellschaftliche Herausforderung

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Die Verknüpfung von Daten unterschiedlicher Quellen, die sich auf dieselbe natürliche oder juristische Person beziehen, ist für die Forschung von erheblichem Nutzen. Sie spielt eine grosse Rolle beim Gewinnen tiefergehender Erkenntnisse im medizinischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei der Verknüpfung von Daten sowie auf deren Zugriff und Archivierung bestehen jedoch grosse Herausforderungen, vor allem beim Datenschutz. Die Initiative linkhub.ch hat sich zum Ziel gesetzt, die Schaffung eines umfassenden gesetzlichen und institutionellen Rahmens voranzutreiben, der Daten zu Forschungszwecken verfügbar und verknüpfbar macht und gleichzeitig sicherstellt, dass die Vertraulichkeit der Daten einzelner Personen geschützt wird und akademische Leitlinien respektiert werden.

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Die starke Zunahme von Datenmengen und die Vervielfachung von Datenquellen im Zuge der digitalen Revolution eröffnen beispiellose Möglichkeiten, Erkenntnisse über Gesellschaften zu gewinnen. Die Bereitstellung des Zugangs zu qualitativ hochwertigen Daten zu Analysezwecken ist ein Schlüsselfaktor für staatliche, universitäre oder privatwirtschaftliche Forschung der Schweiz. Als wichtige strategische Ressource kann diese dadurch bahnbrechende Forschung auf internationalem Niveau durchführen und die nationale Politik bestmöglich informieren.

Gerade die gegenwärtige Corona-Krise zeigt eindrucksvoll die unmittelbare Notwendigkeit, Daten aus dem öffentlichen und dem privaten Bereich zu erfassen, damit vielfältige Aspekte der aktuellen Situation beobachtet und analysiert werden können. In diesem Zusammenhang offenbaren sich die Defizite der gegenwärtigen gesetzlichen und institutionellen Rahmenrichtlinien für die Nutzung dieser Daten.

Datenverknüpfungen bieten ein grösseres analytisches Potenzial

Unter Datenverknüpfung versteht man das Zusammenführen von Daten unterschiedlicher Quellen, die sich auf eine natürliche oder juristische Person beziehen. Dadurch können neue Erkenntnisse aus vorhandenen Daten gewonnen werden. Das Sammeln grosser Datenmengen steigert ihren Wert: Während eine einzelne Datensammlung häufig nur begrenzte Einblicke ermöglicht, bietet die Verbindung unterschiedlicher Quellen oft einen reichhaltigen Informationsfundus. So birgt beispielsweise ein Sterberegister für sich nur ein sehr begrenztes analytisches Potenzial. Wird ein Sterberegister jedoch mit Angaben zu einzelnen Personen kombiniert, so lässt sich auf dieser Grundlage eine ganze Reihe wichtiger Forschungsfragen untersuchen, wie beispielsweise welche sozialen und gesundheitlichen Faktoren die Lebenserwartung beeinflussen.

So ist die Verknüpfung von Daten in der Forschung, insbesondere in der Medizin und den Gesellschaftswissenschaften, von grossem Nutzen:

  • Sie erhöht die Genauigkeit und Reichhaltigkeit der Daten und ermöglicht dadurch Forschung, die sonst so nicht möglich wäre.
  • Sie steigert die Kosteneffizienz: Eine Erhebung spezifischer Daten zu konzipieren, kann sehr kostspielig sein, hingegen kann die Nutzung vorhandener Daten helfen, Kosten zu reduzieren.
  • Sie entlastet Umfrageteilnehmer: Daten müssen nicht direkt von einzelnen Personen oder Unternehmen erhoben werden.

Die Herausforderungen bei der Datenverknüpfung

Während der Wert qualitativ hochwertiger Daten unbestritten ist, sind mit der Datenverknüpfung, dem Zugriff auf verknüpfte Daten und ihrer Archivierung zahlreiche Herausforderungen verbunden.

  • Administrative und persönliche Daten sind weit davon entfernt, für Forschende FAIR (frei zugänglich, auffindbar, interoperabel und reproduzierbar) zu sein.
  • Vollständige Metadatensätze und Dokumentation sind entweder nicht vorhanden oder nicht öffentlich zugänglich.
  • Der Zugang ist kompliziert oder wird ganz verwehrt. Sollten die Daten zugänglich sein, so kann die Verknüpfung nur in sehr begrenztem Rahmen oder gar nicht erfolgen.
  • Forschende müssen ihre Daten oft löschen, was dem Prinzip der Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen widerspricht.

Darüber hinaus nehmen die Datenschutzbedenken im Zusammenhang mit der Verknüpfung von Daten zu: Je mehr Informationen zu einer Person verfügbar sind, desto leichter ist sie möglicherweise zu identifizieren. Eventuell handelt es sich um sensible Angaben, was die Gefahr eines möglichen Schadens durch die Offenlegung persönlicher Angaben weiter erhöht.

Die linkhub.ch-Initiative

Um datenbasierte Projekte in Wissenschaft und Verwaltung zu fördern und gleichzeitig den Schutz persönlicher Daten zu gewährleisten, haben zahlreiche Institutionen und Forschungsgruppen (siehe Infokasten) eine gemeinsame politische Initiative ins Leben gerufen: linkhub.ch.

Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften und die Akademien der Wissenschaften haben linkhub.ch mit der Erstellung eines Berichts beauftragt. Dieser bildet die Grundlage für die Entwicklung eines forschungsfreundlichen institutionellen Rahmens, der einen umfassenderen Zugang zu Daten für Forschungszwecke erlaubt, die Datenverknüpfung erleichtert und gleichzeitig die Rechte des Einzelnen auf Datenschutz und Vertraulichkeit sicherstellt.

Der Bericht analysiert die Anforderungen und Herausforderungen, denen sich Wissenschaftler gegenübersehen, die zu Forschungszwecken Zugang zu privaten und administrativen Daten benötigen. Ausserdem wird der Gesetzesrahmen untersucht, der regelt, wie administrative und private Daten zu Forschungszwecken abgerufen und verknüpft werden können. Darüber hinaus werden Lösungen zur Vereinfachung des Zugangs zu privaten und administrativen Daten vorgeschlagen.

Konkrete Lösungsvorschläge

Die gefunden Lösungen tragen sowohl den wissenschaftlichen Erfordernissen beim Zugang und der Verknüpfung von Daten als auch der Notwendigkeit eines verstärkten Datenschutzes Rechnung. Ein möglicher Ansatz wäre die Erleichterung des Zugangs zu Informationen und die Verbesserung der Datendokumentation. So würde sichergestellt, dass die Existenz der benötigten Daten bekannt ist und diese einfach aufzufinden sind. Andere Vorschläge haben zum Ziel, Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit bestimmten Datenabgleichverfahren zu klären. Diese basieren auf zwei Grundprinzipien:

  • Trennung von Angaben zur Identifizierung von Personen von anderen Variablen: Für das Verknüpfungsverfahren sind lediglich die Identifizierungsangaben (Kennziffern, Namen, Geburtsdatum usw.) erforderlich, nicht aber die anderen Variablen. Aus ihnen kann ein Verknüpfungsschlüssel erstellt werden – d.h. ein der Person in unterschiedlichen Datenquellen zugeordneter Code, der die Verknüpfung identischer Personen in unterschiedlichen Datenquellen ermöglicht. Anschliessend ist es möglich, die Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen, ohne dass irgendwelche Identifikationsangaben genutzt werden müssten.
  • Differenzierte Zugriffsarten aufgrund der Datensensibilität: Ausschliesslich Vor-Ort-Zugriff auf hochsensible Daten, sicherer Fernzugriff auf sensible Daten und Zugriff durch Herunterladen für weniger sensible Daten.

Diese Vorschläge werden durch vorgeschlagene Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen ergänzt. Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass der gleichberechtigte Zugriff auf personenbezogene Daten den Datenschutzrechten natürlicher Personen unterliegt und durch diese geregelt wird.

Fazit

Die Notwendigkeit, die Privatsphäre natürlicher Personen in einer digitalisierten Welt zu schützen, wird zunehmend als ebenso wichtig angesehen wie das durch Datenanalyse gewonnene Wissen. Daher sollte die Notwendigkeit des Datenschutzes nicht die Nutzung persönlicher Daten zu Forschungszwecken verhindern, sondern neu zu schaffenden, umfangreichen rechtlichen und institutionellen Rahmenrichtlinien unterliegen, welche die Daten für die Forschung zugänglich machen und gleichzeitig den Datenschutz natürlicher Personen gewährleisten. Dies ist das Ziel der linkhub.ch-Initiative.

Linkhub.ch ist ein Projekt mit dem Ziel, ein rechtliches und institutionelles Umfeld zu schaffen, das die Nutzung von Daten zu Forschungszwecken fördert und gleichzeitig der Notwendigkeit des Datenschutzes des Einzelnen und der Einhaltung akademischer Leitlinien Rechnung trägt.

Die Partner des linkhub.ch-Projekts:
– FORS – Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften
– TREE – Transitionen von der Erstausbildung ins Erwerbsleben
– NCCR on the Move – nationaler Forschungsschwerpunkt zu Migration und Mobilitätsstudien
– SwissRDL – Kompetenzzentrum für medizinische Register und Datenverknüpfungen
– Swiss Network on Fiscal Federalism


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