Die Generation Y im Gesundheitswesen

Generation Y im Gesundheitswesen

Sind Generationenmuster nur eine Modeerscheinung oder stecken Wahrheiten dahinter, die Einflüsse auf den aktuellen Arbeitsmarkt haben? Anlässlich des Colloque Santé an der Berner Fachhochschule erläuterte Prof. Dr. Andrea Gurtner, was Arbeitgebende über die Bedürfnisse der Generationen Y und Z wissen sollten.

Der Kalender zeigt den 25. April 2017. Esther Hofer* graut vor den Daten kurz vor Monatsende. Seit sie vor drei Jahren die Pflegedienstleitung im Pflegeheim Sonnhalde* übernommen hat, muss sie Ende Monat immer wieder mit Kündigungen von qualifizierten Mitarbeitenden rechnen. Das Besetzen der offenen Stellen ist für sie eine grosse Herausforderung und Belastung. Immer wieder kursieren ihre Gedanken um dieselben Fragen: Welche Bedürfnisse haben junge Generationen an ihre Arbeitgeber? Was bringen sie mit – was muss ich ihnen bieten? Wie kann ich junge Fachkräfte für eine Mitarbeit in unserem Pflegeheim begeistern?

Ihnen wird seit einigen Jahren grosse Aufmerksamkeit geschenkt, sei es von Seiten der Medien, der Wissenschaft oder der Arbeitgebenden. Die Rede ist von Arbeitnehmenden der Generation Y (Jahrgänge 1982-1995). Andrea Gurtner, Dozentin im Fachbereich Wirtschaft der BFH hat die Erwartungen dieser jungen Menschen an ihren Arbeitgeber genauer untersucht. An der Veranstaltung Colloque Santé zum Thema «Generation Y und Z in der Ausbildung – eine Herausforderung für die Praxis? » am Fachbereich Gesundheit zeigt sie auf, wie sich Erwartungen auf dem Arbeitsmarkt manifestieren und wie Arbeitgebende ihnen begegnen können.

Die Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologin legt dar, dass die Generationenbeziehungen im Arbeitsmarkt im Umbruch sind; ältere Mitarbeitende sind durch den Einzug der jungen Generation auf dem Arbeitsmarkt verunsichert. Der Druck des Fachkräftemangels lastet auf den Arbeitgebenden. Mehrere Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Prägungen leben und arbeiten nebeneinander. Arbeitgebende sind einerseits herausgefordert, diesen Unterschieden zu begegnen und stehen andererseits vor der Situation, dass sich in vielen Berufsfeldern das Verhältnis zwischen Stellensuchenden und Arbeitgebenden zum Vorteil der Stellensuchenden verändert hat. Besonders ausgeprägt trifft dies auf den Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen zu: «Nicht Stellensuchende bewerben sich bei einem Arbeitgeber, sondern Arbeitgeber bewerben sich bei Stellensuchenden», pointiert Andrea Gurtner.

Merkmale der Generation Y

Jede Aussage über Generationengruppen birgt die Gefahr der Überzeichnung und der Bildung von Stereotypen. Neben der Zugehörigkeit zu einer Generation spielen auch das Alter und die individuelle Lebensphase eine zentrale Rolle. In der Zuspitzung lassen sich allerdings für die Praxis relevante Aussagen ableiten.

Auf der Basis einer eigenen Untersuchung formuliert Andrea Gurtner folgende Erkenntnisse, die sich auch auf das Gesundheitswesen übertragen lassen: Für die befragte Gruppe sind die Wünsche nach interessanten Arbeitsinhalten, Information und Partizipation sowie Zugehörigkeit und Anerkennung von Leistung zentral. Personen der Generation Y möchten individuell wahrgenommen, verstanden und gefördert werden. Sie suchen eher eine persönliche Beziehung in ihrem Team und erwarten von der Führungsperson häufige und spontane Rückmeldungen zu ihren Arbeitsergebnissen. Ebenfalls wichtig sind langfristige Beschäftigungsperspektiven und die Möglichkeit, aufzusteigen. Weniger ausgeprägt ist der Wunsch, selber mitentscheiden zu können oder der Wunsch nach einem leistungsbezogenen Lohnanteil.

Eine Bachelor-Thesis über die Erwartungen von Pflegefachpersonen in einer Klinik im Inselspital zeigt auf, dass diese Charakteristiken auch im Gesundheitsbereich zutreffen. So legten Mitarbeitende der Generation Y vermehrt Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und Feedbackkultur, wünschten sich mehr Mitspracherecht und regten längere Erholungszeiten im Dienstplan und die Möglichkeit für unbezahlten Urlaub an.

Arbeitszufriedenheit

Die Erfüllung der Erwartungen steht in einem direkten Bezug zur Arbeitszufriedenheit und beeinflusst auch die Bindung an den Arbeitgeber und die Kündigungsbereitschaft. Attraktive Arbeitsinhalte, eine befriedigende Balance zwischen Erwerbs- und Privatleben sowie vertrauensvolle Beziehungen zu Führungspersonen sind die drei grossen Themen, die bei jungen Fachkräften zur Arbeitszufriedenheit beitragen. Arbeitgebende sind gefordert, einerseits mit neuen Strukturen und einer wertschätzenden Feedbackkultur auf die Bedürfnisse der jungen Fachkräfte zu reagieren, damit Mitarbeitende ihr Wissen, Können und ihre Kompetenzen optimal einbringen können. Andererseits bleibt es die Aufgabe jeder Führungsperson, in Abhängigkeit der jeweiligen Lebensphase mit der einzelnen Mitarbeiterin und dem einzelnen Mitarbeiter nach individuellen Lösungen zu suchen.

Die Aussagen Gurtners lassen Esther Hofer am Ende des Colloque Santé einen richtungweisenden Schluss ziehen: Das Pflegeheim muss sich bewegen, um von der jüngeren Generation als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Die Pflegedienstleitende wird im nächsten Bewerbungsgespräch den Fokus mehr auf die Lebenssituation und die damit verbundenen individuellen Bedürfnisse der Bewerberin, des Bewerbers richten. Sie hofft, dass es ihrer Institution gelingen wird, durch eine bewusste Feedbackkultur und durch eine abwechslungsreiche und sich verändernde Gestaltung der Arbeitsinhalte eine tiefere Fluktuation im Personal zu erreichen.

*Name der Person und Institution sind fiktiv gewählt

 


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