Die Generation 50+ in der Arbeitswelt 4.0

Von 3 Kommentare

Es sind zwei epochale Entwicklungen: Die Gesellschaft altert. Und die digitale Wende baut die Arbeitswelt um. Arbeitnehmer wie Arbeitgeberinnen sehen sich neuen Ansprüchen, aber auch Möglichkeiten gegenüber. Was können die „Ü50“ dem modernen Arbeitsmarkt bieten? Wozu sind die Arbeitgebenden aufgefordert? Im Podiumsgespräch an der ausgebuchten BFH-Veranstaltung „Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeit: eine Chance für die Generation 50+?“ kamen die verschiedenen Seiten zu Wort.

Der Interessenvertreter

Daniel G. NeugartDaniel G. Neugart ist Gründer und Präsident des nationalen Verbands SAVE 50Plus. Die NGO vertritt die Interessen der über 50-jährigen Arbeitnehmenden und Arbeitslosen in der Schweiz. Sein Verband setzt sich nicht für einen altersfreundlichen, sondern explizit für einen altersneutralen Arbeitsmarkt ein. Alter soll kein diskriminierendes Merkmal mehr sein. Neugart versteht es als seine Aufgabe, «dass man es den Leuten aus den Köpfen nimmt, als älterer Mensch etwas an sich zu haben, das nicht gut ist.» Denn:

«50 Jahre alt zu werden, kann fast jedem passieren.»

Ihm geht es um die Frage, wie sich die ältere Generation für die Arbeitgebenden attraktiver machen kann. Dazu sucht SAVE 50Plus den direkten Austausch mit dem Management in Organisationen und Unternehmen. Und ermöglicht eine andere Sicht: ein fortgeschrittenes Alter bringe viele Generalisten hervor. Nämlich Persönlichkeiten mit vielfältigen Fähigkeiten, die sich kraft ihrer Erfahrung mit wenig Aufwand neue Kompetenzen anzueignen wüssten. Ausserdem trete gerade in den Zeiten der Digitalisierung das Persönliche und Zwischenmenschliche wieder mehr in den Vordergrund. In dieser Hinsicht könnten sich die über 50-Jährigen ebenfalls beweisen.

Aber auch die älteren Arbeitnehmenden selbst werden zum Umdenken angehalten. Um die Stellensuche zu erleichtern, müssten sie sich vom Anspruch auf immer mehr oder auch nur gleichviel Lohn verabschieden. Zudem sollten sie sich gegenüber alternativen Arbeitsmodellen öffnen. Stichworte sind Teilzeitarbeit und Arbeitsplatzteilung in zwei oder sogar mehr Stellen. Neugart ermutigt seine Klientel dazu, sich ein Job-Portfolio aus verschiedenen Beschäftigungen für ein ausreichendes Einkommen zu organisieren.

Die Personalmanagerin

Chantal BeyelerChantal Beyeler leitet bei den SBB die Fachstelle Zukunftsmodelle und ist Geschäftsführerin der Stiftung Valida. Sie entwickelte mit ihrem Team neue, flexible Pensionierungsmodelle und ein Lebensarbeitszeitmodell für die SBB-Mitarbeitenden. Das Lebensarbeitszeitmodell ermöglicht es ihnen, Teile ihres Lohnes oder ihrer Arbeitszeit anzusparen und später als Freizeit zu beziehen, für einen längeren Urlaub oder eine Arbeitszeitreduktion. Alternativ zum abrupten Wechsel in den Ruhestand lassen die neuen Pensionierungskonzepte ausserdem einen schrittweisen Ausstieg aus dem Berufsleben zu.

Chantal Beyeler machte deutlich, dass hinter diesen Modellen zwei zentrale Erkenntnisse stehen: Dass die Gruppe der über 50-Jährigen überaus heterogen ist, die sich in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen mit je eigenen Anforderungen befinden. Manche Menschen benötigten mehr Zeit, um sich von körperlicher Belastung zu erholen; andere, um familiären Verpflichtungen nachzukommen – sei es für die Betreuung pflegebedürftiger Eltern oder auch als „junger“ Familienvater. Arbeitgebende sollten ihnen daher anbieten, die Arbeitszeit besser an die persönliche Situation anpassen zu können. Denn – und das ist die zweite Erkenntnis – es diene der Mitarbeitergesundheit und dem Unternehmen insgesamt, wenn es die Bedürfnisse seiner Beschäftigten kenne und bediene.

«Flexible Arbeitsmodelle stellten Win-Win-Lösungen dar.»

Erst im letzten Jahr eingeführt, seien sie seitens der Mitarbeitenden bereits stark nachgefragt.

Nicht gelten lässt Chantal Beyeler, dass das Zeitalter der Digitalisierung besonders die Älteren herausforderte. Wie gut jemand mit technologischen Neuerungen und der Steigerung des Arbeitstempos zurechtkomme, hänge eher mit den individuellen Eigenschaften einer Person als mit ihrem Alter zusammen. Wichtig sei, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit zu antizipieren und die Mitarbeitenden in den Veränderungsprozessen zu begleiten. Manche Menschen benötigten etwas mehr Begleitung – Jüngere gleichermassen wie über 50-Jährige.

Der Human-Resources-Berater

Roland GuntersweilerRoland Guntersweiler ist Senior-Berater bei Grass & Partner AG, einem Anbieter für Outplacement- und Bestplacement-Begleitung von Führungskräften und Fachspezialisten. Er hat langjährige Erfahrungen in verschiedenen Führungs- und Beratungsfunktionen, auch im HR-Bereich. In den Augen Roland Guntersweilers ist die Generation 50+ „bestens qualifiziert“ für die moderne Arbeitswelt. Sie sei insofern „versatil“, als sie in ihren Fachgebieten sowohl den Überblick als auch die Fähigkeit hätten, in die Materie einzutauchen. Seine Berufserfahrung zeige, dass Fach- und Führungskräfte jeden Alters über kurz oder lang wieder eine Stelle fänden. Ab einem höheren Lebensalter dauere es nur etwas länger.

Einen interessanten Grund dafür sieht Roland Guntersweiler bei den Personalrekrutierern. Weil der Beruf des Recruiters ein klassischer Einstiegsjob ins Human Resources Management ist, sind die Personen in diesen Stellen meist deutlich unter 30 Jahre alt. Bewerbe sich jemand jenseits der 50, stünden sich in dieser Konstellation zwei unterschiedliche Lebenswelten gegenüber. Die Sicht der Junioren formuliert Guntersweiler überspitzt:

„Wer stellt schon gerne seinen Grossvater ein?“

Mehr Diversität im Personalmanagement sei deshalb wünschenswert – hinsichtlich des Alters der Recruiter vor allem, aber nicht nur.

Auch Roland Guntersweiler sieht zudem im Job-Splitting eine Chance für ältere Fach- und Führungskräfte. Sich mit anderen Personen eine oder auch mehr Stellen zu teilen, funktioniere in der Praxis gut und führe oft zu gegenseitiger Befruchtung. Wer sich dazu eigne, sei gut beraten, eine selbständige Tätigkeit in sein Job-Portfolio aufzunehmen: Die Tätigkeit als „Business Angel“, als Dozierender oder in einem Pro-bono-Job könne zum „Schwungrad“ für die Karriere im höheren Lebensalter werden.

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3 Kommentare
  • Barbara Vetter

    Antworten

    Bisher haben sämtliche Artikel zum Thema «Arbeitnehmende 50+» die ich gelesen habe eines gemeinsam. Sie stellen die Vorzüge von gutausgebildeten, physisch und psychisch gesunden und flexiblen Mitarbeitenden in den Fokus. Ja, die gibt es – und in Bezug auf diese Menschen gehe ich mit den Verfassern der Artikel einig. Leider ist das nur die halbe Wahrheit (oder sogar weniger). Teilweise liegt die letzte Aus- oder Weiterbildung viele Jahre zurück und wird mittlerweile nicht mehr oder nur noch bedingt anerkannt. Gerade im niederschwelligen Sektor, waren und sind Arbeitgeber sehr zurückhaltend mit Investitionen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter/innen. (Gerade bei Frauen!). Bei einem kleinen Lohn, der gerade für das Überleben reicht, können teure Fachkurse nicht selber finanziert werden. Das RAV unterstützt wohl mit fragwürdigen Integrationsmassnahmen, Staplerkurse jedoch werden nur in Ausnahmefällen bewilligt. Zwei oder mehrere Jobs gleichzeitig sind beispielsweise im Verkauf kaum möglich – wird doch „zeitliche Flexibilität“ in den Stelleninseraten stets besonders betont. Ich bin selber 50+, gut ausgebildet und nach einem Burnout auch wieder gesund im Arbeitsmarkt integriert. Meine Arbeitsleistung ist nicht mehr dieselbe wir vor einigen Jahren, meine Diplome (letzter Abschluss vor 7 Jahren) soweit „veraltet“, was sich bei der Stellensuche bemerkbar machte. Das Leben hat Spuren hinterlassen – ist es so schlimm, dass ich mit 52 etwas langsamer und empfindlicher geworden bin? Ein Arbeitsweg über eine Stunde im täglichen Verkehrsstau oder im überfüllten und lärmigen ÖV belastet. Ein grosser Teil meines Lohnes verschlingen Gesundheitskosten und Therapien, die mich beim Bewältigen des Berufsalltags unterstützen. Da liegen teure Weiterbildungen kaum noch drin. Dazu arbeite ich in einem Bereich, bei dem eine Teilzeitanstellung schnell mit vielen Überstunden endet – wo sollte da also noch Kapazität für eine Zweitstelle sein? Ich als 50+-Arbeitnehmerin habe nicht nur das Recht auf eine berufliche und soziale Integration – sondern auch das Recht über 50 Jahre alt zu sein! Motiviert, berufs- und lebenserfahren, offen für Neues – aber auch etwas langsamer, besonnener und empfindlicher.

    • Martin Alder

      Guten Tag Frau Vetter

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihre Einschätzungen zur Situation älterer Personen, die ihre Stelle verloren haben, können wir mit Blick auf unsere Forschung weitgehend unterschreiben.

      Alter und Ausbildung sind entscheidende Faktoren, ob und wie rasch jemand wieder eine Stelle findet. Und gerade Frauen bemerken den tieferen Stellenwert von Teilzeitarbeit in ihrer Karriere und ihrer grösseren Verletzlichkeit im Sozialversicherungssystem – derzeit arbeiten wir ihm Rahmen unserer Reihe «Social Impact» gerade an einem Studienüberblick zu diesem Themenbereich.

      In unterschiedlichen Studien weist das BFH-Zentrum Soziale Sicherheit immer wieder darauf hin, dass gezielte und personengerechte Weiterbildung ein wichtiger Ansatzpunkt ist, um das Armutsrisiko zu reduzieren, und daher bei Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe stärker berücksichtigt werden müsste – dies reicht von einfachen Kursen bis zur Lehre für Erwachsene.

      Wie Sie richtig bemerkt haben, legte die in diesem Artikel beschriebene Veranstaltung einen anderen, aber ebenfalls relevanten Blick auf das Thema «Alter und Arbeit» und behandelte Möglichkeiten, wie eher gut ausgebildete 50+Arbeitnehmer_innen bis zur Pensionierung einer motivierenden und einträglichen Tätigkeit nachgehen können. Selbstverständlich stimmt dies nicht mit der Lebensrealität aller älteren Arbeitnehmenden überein. Aus unserem Fokus fallen weniger privilegierte Personen jedoch mit Sicherheit nicht.

      Liebe Grüsse
      Martin Alder – Redaktionsleiter knoten & maschen

  • Simon Wyss

    Antworten

    Bei der Sozialhilfe habe ich einen Grobbeschrieb meines Vorhabens zur Verselbständigung vorgelegt, wie man mich nach meiner ersten Anfrage geheissen hat, keinen ausgearbeiteten Geschäftsplan. Ich habe auch keine Zahlen beigelegt, wollte man nicht. Was glaubt ihr, ist dann passiert?

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