Sozialdienste verfügen über detaillierte Informationen zur Fall- und Kostenentwicklung. Die Analyse dieser Daten ist jedoch aufwändig und benötigt spezifisches Know-how. Mit einem von der BFH entwickelten Daten-Dashboard lassen sie sich rasch und ohne Vorkenntnisse aufbereiten und präsentieren.
Die individuelle Sozialhilfe ist ein zentraler Baustein der sozialen Sicherheit und soll ihren Klient*innen ein menschenwürdiges und eigenverantwortliches Leben ermöglichen. Nicht selten finden sich die zuständigen Sozialdienste jedoch in politischen und gesellschaftlichen Spannungsfeldern wieder. Sie müssen rasch auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und Rechenschaft über ihre Leistungen ablegen – z.B. wie sich Ausgaben entwickeln und was deren Treiber sind.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen sie Informationen zu Fallentwicklungen und Kosten rasch zur Hand haben. Dies stellt Sozialdienste vor Herausforderungen. Obwohl detaillierte Informationen im Rahmen der Fallführung und Buchhaltung erfasst werden, lassen sich daraus nicht so einfach Erkenntnisse ziehen. Die Daten müssen dafür aufbereitet und zu relevanten Kennzahlen verdichtet werden. Dies ist zeitaufwändig und verlangt spezialisiertes datenwissenschaftliches Know-how.
Daten-Dashboard als Lösung
Diese Herausforderung brachte der Sozialdienst Wohlen beim Hack4SocialGood als «Challenge» ein. Der Hack4SocialGood bringt regelmässig Menschen aus dem Technik- und Sozialbereich zusammen, um während zwei Tagen Lösungen für digitale Herausforderungen zu entwickeln. Am Hackathon vom Jahr 2020 wurde ein Prototyp für die grafische und tabellarische Darstellung von Fallzahlen und Kosten in Form eines sogenannten Daten-Dashboards entwickelt.
Daten-Dashboards sind Softwareanwendungen, die Daten visuell ansprechend und in leicht verständlicher Form darstellen. Aus unübersichtlichen Datensätzen werden kompakte Grafiken und Tabellen. Die Datenaufbereitung findet dabei automatisch und im Hintergrund statt. Mit Hilfe von Auswahlmenüs können Nutzer*innen gezielt jene Kennzahlen auswählen, die für sie relevant sind. So ist es beispielsweise möglich, die Daten auf bestimmte Zeiträume oder Untergruppen einzugrenzen. Ein Daten-Dashboard ist damit ein einfacher und effizienter Ansatz, aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen.
Potenziale für die Verwaltung und den Sozialbereich
Das am Hack4SocialGood entwickelte Dashboard wurde in einem anschliessenden Kooperationsprojekt mit der BFH weiterentwickelt und steht dem Sozialdienst Wohlen nun zur Nutzung bereit. Die Gemeinde kann nun mit wenigen Klicks herausfinden, warum die Ausgaben in den letzten zwei Jahren gestiegen sind. Haben mehr Personen Sozialhilfe bezogen oder haben sich die Kosten pro Fall erhöht? Sind die erhöhten Gesundheits- oder Wohnkosten der Grund für die gestiegenen Kosten?
Ein Blick auf das Dashboard genügt, um zu sehen, dass die Anzahl Sozialhilfebeziehende zwischen 2018 und 2020 zugenommen hat. Die Ausgaben pro Person und Unterstützungsmonat (Aufwandskomponenten pro Personenmonat) sind jedoch gleichgeblieben. Und auch die Wohn- oder Gesundheitskosten sind nicht angestiegen. Die Kostensteigerung ist somit auf die gewachsene Anzahl unterstützter Personen zurückzuführen.
Auf diese Weise hilft das Dashboard der Sozialdienstleitung, relevante Entwicklungen zu erkennen und mögliche Ursachen ausfindig zu machen. Künftige Massnahmen können sich auf diese Fakten abstützen und gegenüber Anspruchsgruppen begründet werden.
Ein weiteres Potenzial von Dashboards besteht im Kommunikationsbereich. Ein Beispiel hierfür ist der «COVID-19 Social Monitor» der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, welcher der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Hier lassen sich die Ergebnisse einer wiederkehrenden Befragung nach einzelnen Indikatoren betrachten und dadurch die Folgen der COVID-19 Pandemie besser verstehen. Es wäre auch vorstellbar, dass entsprechende Dashboards gezielt mit spezifischen Anspruchsgruppen geteilt werden. In beiden Fällen schafft dies Transparenz, stellt Information einfach und unkompliziert zur Verfügung und ermöglicht eine faktenbasierte Kommunikation.
Dashboard zum selbst Klicken
Auf dieser einfachen Testversion können Sie die Funktionsweise des Datendashboards selbst ausprobieren. Sie zeigt den Verlauf der Sozialhilfequote in den Kantonen über die letzten zehn Jahre. Im Auswahlmenü können Sie die Kantone und Jahre anpassen. Zudem kann die dargestellte Grafik heruntergeladen werden.
Mit Hilfe des Dashboards lassen sich zum Beispiel folgende Fragen beantworten: Welcher Kanton hat die höchste Sozialhilfequote? In welchen Kantonen ist die Quote in den vergangenen Jahren gesunken? Wie steht der Kanton Bern in Vergleich zu anderen Kantonen?
Kontakt:
- Prof. Dr. Dorian Kessler, Dozent, Institut für Organisation und Sozialmanagement
- Olivier Lehmann, Wissenschaftlicher Assistent, Institut für Soziale Sicherheit und Sozialpolitik
Projekte und Partner:
Literatur und weiterführende Links:
- COVID-19 Social Monitor, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften
- Matheus, R., Janssen, M., & Maheshwari, D. (2020). Data science empowering the public: Data-driven dashboards for transparent and accountable decision-making in smart cities. Government Information Quarterly, 37(3), 101284.
- Sarikaya, A., Correll, M., Bartram, L., Tory, M., & Fisher, D. (2019). What Do We Talk About When We Talk About Dashboards? IEEE Transactions on Visualization and Computer Graphics, 25(1), 682–692.
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