Berufswahl und Geschlechterrollen

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Foto: istock.com/sturti

Jugendliche treffen ihre Berufswahl nicht nur aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interesse, sondern auch gemäss geschlechtsspezifischer Stereotypen. Das von der BFH evaluierte Projekt «Mein Beruf» hilft, Kinder und Jugendliche für dieses Thema zu sensibilisieren.

Die individuelle Berufswahl ist eine komplexe Angelegenheit. Linda Gottfredson beschreibt sie in ihrer «Theory of Circumscription and Compromise» als eine kontinuierliche und unbewusste Reduktion der Möglichkeiten, die bereits in der Kindheit beginnt. In der Primarstufe präferieren Kinder geschlechtertypische Berufe. Mit zunehmendem Alter wird die Dimension «Geschlecht» mit der Dimension «Status» ergänzt. Im Jugendalter werden die so entstandenen Berufswahlpräferenzen vermehrt mit den eigenen Interessen und Fähigkeiten abgeglichen. Am Ende dieses Prozesses wird ein Beruf gewählt, der passend zur individuellen Selbstkonzeption erscheint.

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Der Wirkmächtigkeit von Geschlechterstereotypen auf die Berufswahl begegnen wir im Alltag, wenn wir mit jüngeren Kindern über Rollenbilder sprechen, uns die Geschlechterverteilung bei der Kita-Betreuung oder auf der Baustelle anschauen. Diese Beobachtungen werden von der Forschung bestätigt: In der Regel wählen Mädchen und Knaben dem stereotypen Rollenbild entsprechende Berufe – auch heute noch. Sowohl für die Gleichberechtigungsfrage als auch die Wirtschaft stellt die geschlechterstereotype Berufswahl eine Herausforderung dar, welche zunehmend mediale und politische Aufmerksamkeit erfährt.

In den letzten Jahren wurde einiges unternommen, um Jugendliche zu einer geschlechteruntypischen Berufswahl zu motivieren. Das Interesse für spezifische Berufsbereiche wird mit speziellen Angeboten gefördert oder die Kinder und Jugendlichen werden für den Einfluss von stereotypen Rollenbildern in der Berufswahl sensibilisiert – z.B. mit dem Spiel «like2be». Zu den Sensibilisierungsangeboten zählt auch das Projekt «Mein Beruf» der Fachstelle Jumpps*, welches von der BFH evaluiert wurde.

Spiele und Vorbilder sollen den Fokus öffnen

Das Angebot «Mein Beruf» richtet sich an Schulklassen ab der 5. Primarstufe und beinhaltet zwei Module, die einzeln oder in Kombination gebucht werden können. Im Rahmen des zweistündigen Video-Moduls setzen sich die Kinder und Jugendlichen anhand von Spielen, Übungen und Videos mit dem Thema der gendersensiblen Berufswahl auseinander, um ihre Berufswahlpräferenzen zu reflektieren und zu erweitern. Das Live-Modul beinhaltet den Austausch zwischen Schüler*innen und jungen Berufsleuten, die sich für einen geschlechtsuntypischen Berufsweg entschieden haben. Diese erzählen den Schüler*innen als «Expert*innen» ihre bisherige Berufsbiografie und beantworten dazu Fragen.

Gelungene Anregungen für zufriedene Schüler*innen

Im Rahmen der Evaluation konnte gezeigt werden, dass die 25 Klassen, welche zwischen Januar und Oktober 2020 am Workshop «Mein Beruf» teilnahmen, mit ihm sehr zufrieden waren. In einer standardisierten Befragung bewerteten die Schüler*innen das Angebot auf einer 6er-Skala im Durchschnitt mit der Note 5.1, die Lehrpersonen mit 5.3. Sowohl Gestaltung als auch Inhalt des Workshops wurden von den befragten Lehrpersonen und Schüler*innen als gut beurteilt und sie würden ihn weiterempfehlen.

Dieses positive Bild wird durch die Erkenntnisse der Gruppendiskussionen mit den Schüler*innen unterstrichen. Die Kinder und Jugendlichen berichteten von verschiedenen Elementen des Workshops, die ihnen besonders gut gefallen haben. Weiter erzählten sie von sehr unterschiedlichen Erkenntnissen aus dem Workshop. Hier wurde unter anderem eine Verringerung der stereotypen Rollenbilder, die Ermutigung eine geschlechteruntypische Berufslehre zu wählen oder der Vorsatz, die eigenen Überlegungen zum Thema mit Peers zu besprechen, genannt. Diese Resultate können aufgrund des Evaluationsdesigns nicht als Wirkungsnachweise verstanden werden. Sie sind jedoch Hinweise auf Prozesse und Veränderungen, durch das Projekt angestossen werden. Das Projekt «Mein Beruf» scheint somit einen Beitrag zu Berufswahl möglichst frei von Geschlechterrollen zu leisten.

 


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