Wie beurteilen Arbeitnehmende ihre Arbeitsbedingungen? Das «Barometer Gute Arbeit» zeigt, dass sich die Wertschätzung, psychische Befindlichkeit und Problemlösungskultur an Schweizer Arbeitsplätzen in den letzten Jahren verbessert haben. Auf der anderen Seite wird die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes immer tiefer eingeschätzt – gerade bei potentiellen Digitalisierungsverlierern in der Verkehrsbranche oder dem Finanzwesen. Ebenfalls wäre der Zugang zu Stellen mit sehr guten Arbeitsbedingungen für Frauen und Ausländer zuverbessern.
Unsere Arbeit bestimmt einen Grossteil unseres Lebens. Das neue «Barometer Gute Arbeit» von Travail-Suisse und dem BFH-Zentrum Soziale Sicherheit zeigt auf Basis einer repräsentativen Erhebung bei 1400 Arbeitnehmenden, in welchen Bereichen sich die Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz gegenüber den Vorjahren verändert hat. Die fortlaufende Berichterstattung ermöglicht es, Tendenzen und Veränderungen im Arbeitsmarkt zu erkennen. Dadurch sollen allfällige Auswirklungen auf Gesellschaft und Wohlfahrt frühzeitig abgeschätzt und angegangen werden können.
Drei Dimensionen von Qualität
Die Qualität der Arbeitsbedingungen wird mit den drei Dimensionen «Motivation» (blau), «Sicherheit» (gelb) und «Gesundheit» (grün) erfasst. Diese werden jeweils in zwei Teildimensionen unterteilt, welche auf insgesamt 20 Indikatoren zurückgehen.
Bei der Motivation wurde von den Arbeitnehmenden die Wertschätzung im Betrieb zwar etwas besser bewertet als in den Vorjahren (+3 Punkte). Jedoch ist zwischen 2015 und 2018 ein deutlicher Rückgang bei der wahrgenommenen «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» festzustellen (-2 Punkte). Dies passt zur zunehmenden Einschätzung von Angestellten, dass der Vaterschaftsurlaub zu kurz sei.
In der Dimension Sicherheit hat sich sowohl die kurz-, mittel- als auch langfristige Perspektive der Arbeitnehmenden seit 2015 tendenziell verschlechtert. Die kurzfristige Sicherheit des Arbeitsplatzes wird am besten beurteilt (79 Punkte). Die langfristige Beurteilung der Arbeitsplatzsicherheit fällt deutlich schlechter aus (65 Punkte), d.h. deutlich weniger Arbeitnehmende rechnen damit, ihre aktuelle Arbeit bis zur Pension auszuüben. Am schlechtesten fällt die mittelfristige Beurteilung der Arbeitsplatzsicherheit aus (56 Punkte). Viele bezweifeln somit, bei Jobverlust eine vergleichbarene Stelle zu finden.
Hinsichtlich der Gesundheit können in den letzten vier Jahren zwei gegenläufige Entwicklungen beobachtet werden. Einerseits nimmt die körperliche Belastung der Arbeitnehmenden zu (-2.4 Punkte) und andererseits verbessern oder stabilisieren sich die Werte bei den psychischen Faktoren. Indikatoren wie «Präsentismus» und «Stress» verbessern sich gegenüber 2015 um 2.3 respektive 1.9 Punkte. Die «Gesundheitsförderung» erhält innerhalb der Teildimension «Entlastung» die schlechteste Bewertung. Dafür kann die Zufriedenheit mit den sozialen Kontakten und der Problemlösungskultur am Arbeitsplatz als hoch eingestuft werden, was sich im Indikator «Ausstattung und Umwelt» niederschlägt.
Tiefstwerte im Tessin und beim Gastgewerbe
Unterteilt man die Antworten nach Regionen, werden grosse Unterschiede deutlich. So wird im Kanton Tessin die Qualität der Arbeitsbedingungen am schlechtesten beurteilt. Sowohl die Sicherheit als auch die Motivation beurteilen die Arbeitnehmenden aus dem Tessin am schlechtesten, bei der Gesundheitsdimension liegen sie allerdings an dritter Stelle.
Auch zwischen den Branchen sind die Unterschiede gross. An der Spitze der Rangliste steht die Landwirtschaft, sie erzielt bezüglich Motivation und Sicherheit die höchsten Werte, bezüglich Gesundheit landet sie auf Platz 2. An letzter Stelle des Branchenranking landet bei allen drei Dimensionen das Gastgewerbe. Des Weiteren wird die mittelfristige Arbeitsplatzsicherheit in den Branchen «Verkehr und Lagerei» sowie «Finanz- & Versicherungswesen» am kritischsten beurteilt. Dies sind gleichzeitig die Branchen, welche die Folgen der Digitalisierung am meisten spüren, und in denen vergleichbare Stellen zunehmend verschwinden.
Job-Risiko Digitalisierung
Frauen und Ausländer geben ihren Arbeitsbedingungen schlechtere Noten
Auswertungen nach persönlichen Merkmalen zeigen, dass nicht alle Arbeitnehmende gleichermassen von guten Arbeitsbedingungen profitieren. So weisen Ausbildungslose, Frauen sowie Ausländer und Ausländerinnen in den Dimensionen Motivation und Sicherheit deutlich tiefere Werte aus. Personen ohne nachobligatorische Ausbildung belastet beispielsweise eine eingeschränkte Arbeitsmarktmobilität, zudem beurteilen sie ihr Einkommen deutlich seltener als angemessen. Frauen beurteilen die meisten Indikatoren schlechter als Männer – mit wenigen Ausnahme wie «Gesellschaftliche Wertschätzung» oder «Vereinbarkeit von Job und Familie». Die grössten Unterschiede sind bei den Indikatoren «Einkommen» und «Gestaltungsmöglichkeiten» festzustellen. Ebenso weisen Personen mit ausländischer Nationalität in allen Dimensionen tiefere Werte auf als Arbeitnehmende mit Schweizer Pass. Diese Resultate deuten darauf hin, dass auf dem Schweizer Arbeitsmarkt der chancengleiche Zugang zu Stellen mit qualitativ hochstehenden Arbeitsbedingungen noch verbessert werden kann.
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Literatur und weiterführende Links:
- Grebner, Simone et al. (2010): Stress bei Schweizer Erwerbstätigen. Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen, Personenmerkmalen, Befinden und Gesundheit, Bern: Staatsekretariat für Wirtschaft SECO
- Holler, Markus et al. (2013): Methodenbericht zur Weiterentwicklung des DGB-Index Gute Arbeit in der Erhebungsperiode 2011/2012. Im Auftrag des Instituts DGB-Index Gute Arbeit, Stadtbergen (DE): Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie INIFES
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