Auch während der Epidemie muss Sozialhilfe funktionieren

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Die vom Bundesrat und den Kantonen beschlossenen Massnahmen gegen das Coronavirus COVID-19 haben weitreichende Auswirkungen auf die Sozialhilfe. Es stellen sich Fragen zur Subsidiarität der Sozialhilfe oder wie Hilfe unter den gegebenen Bedingungen rechtzeitig sichergestellt werden kann. Die SKOS hat ein Merkblatt mit Empfehlungen für Sozialdienste veröffentlicht, das in dieser ausserordentlichen Lage regelmässig aktualisiert wird.

Die geltenden Empfehlungen und Bestimmungen zur Sozialhilfe wurden ohne Berücksichtigung von Epidemie-Massnahmen beschlossen. Damit die Sozialhilfe in der ausserordentlichen Lage ihren Auftrag erfüllen kann und die verfassungsrechtlich garantierten Ansprüche garantiert werden, bedarf es Anpassungen bei der Beratung und beim Verfahren um Anspruchsprüfung.

Kontakt in der Sozialberatung

Da die Kontakte zwischen Sozialdiensten und den Hilfesuchenden derzeit unter erschwerten Bedingungen stattfinden, drängen sich Kulanz und unbürokratische Vorentscheide auf. Die Verfahrensbestimmungen dürfen nicht dazu führen, dass eine notwendige Unterstützung aus formalen beziehungsweise terminlichen Gründen nicht rechtzeitig geleistet werden kann. Wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sozialhilfeanspruch besteht, kann eine vollständige Prüfung von Zuständigkeit, Bedürftigkeit und Umfang des Anspruchs nachgängig sichergestellt werden.

Persönliche Gespräche können bei einer Vielzahl unterstützter Personen problemlos sistiert werden, in Einzelfällen jedoch nicht – z.B. bei der Unterstützung von psychisch belasteten Personen, die aufgrund der aktuellen Lage und der Berichterstattung verunsichert sind (in Absprache mit der Psychiatrie) oder wenn ein Bedarf an weiterer persönlicher Hilfe besteht. Es gilt der Grundsatz «so viel wie nötig, so wenig wie möglich». Weiterer Kontakt kann telefonisch, elektronisch oder schriftlich wahrgenommen und verlangt werden.

Datenschutz-Bedenken in der Nutzung elektronischer Kommunikation sind zu berücksichtigen, sollten in der ausserordentlichen Lage aber nicht die Gefährdung durch den Corona-Virus oder die Existenzsicherung übersteuern.

Bedeutung von wirtschaftlicher und persönlicher Hilfe

Eine Konzentration von Sozialhilfe auf zentrale Leistungen darf in dieser ausserordentlichen Lage nicht Abbau bedeuten. Im Gegenteil: angesichts der aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens können betroffene Personen einen zusätzlichen Bedarf an persönlicher Hilfe haben, damit sie belastende Lebenslagen zu bewältigen vermögen – z.B. persönliche Beratungsgespräche oder Vermittlung von Hilfe beim Einkaufen für besonders gefährdete Personen.

Wer Sozialhilfe beantragt und bezieht, ist grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet. Das gilt natürlich auch während der aktuellen Lage. Für deren Dauer ist jedoch zu berücksichtigen, welche Mitwirkung erbracht werden kann, welche nicht mehr erbracht werden kann und welche nicht mehr sinnvoll oder zumutbar ist. In der ausserordentlichen Lage bleibt die Existenzsicherung zentral, während Massnahmen und Auflagen für Bildung sowie berufliche und soziale Integration vorübergehend in den Hintergrund treten. Wo diese im bisherigen Rahmen nicht mehr durchführbar sind, sind sie zu sistieren. Wo sie weiterhin möglich und für die betreffenden Personen zumutbar sind, soll ihre Teilnahme im bisherigen Rahmen verbindlich bleiben.

Bei Sanktionen muss die Verhältnismässigkeit neu geprüft werden. Wenn eine Leistungskürzung im Umfang von 30% des Grundbedarfs generell als zumutbar gilt, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie auch während der jetzt geltenden Epidemie-Massnahmen noch zumutbar ist. Dies muss insbesondere bei der Sanktionierung von Haushalten mit Kindern und Jugendlichen oder mit besonders gefährdeten Personen berücksichtigt werden. In solchen Fällen kann es angebracht sein, eine Leistungskürzung für die Dauer der ausserordentlichen Lage ganz oder teilweise zu sistieren.

Rückerstattung von Sozialhilfe während Epidemie-Massnahmen

Kurzarbeitsentschädigung und Corona-Erwerbsersatz müssen nicht zurückerstattet werden. Es wird bisweilen als stossend empfunden, dass sich Personen aufgrund von Sozialhilfe-Bezug verschulden, die unverschuldet in eine Notlage gelangten. Dabei gilt es zu beachten, dass auch unabhängig von Epidemie-Massnahmen für den Sozialhilfebezug häufig strukturelle Ursachen verantwortlich sind und nicht primär individuelles Verschulden. So sind Alleinerziehende, Personen ohne Berufsabschluss oder Ausländerinnen und Ausländer je nach Herkunft bei den Sozialhilfebeziehenden überdurchschnittlich vertreten. Die geltenden SKOS-Richtlinien machen daher bereits Empfehlungen für eine angemessene Rückerstattungspraxis.

Rechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen müssen rückerstattet werden, wenn eine ehemals unterstützte Person in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Bei günstigen Verhältnissen aufgrund Erwerbseinkommen ist auf eine Geltendmachung der Rückerstattung zu verzichten. Wo die gesetzlichen Grundlagen eine Rückerstattung aus Erwerbseinkommen vorsehen, ist eine grosszügige Einkommensgrenze zu gewähren und die zeitliche Dauer der Rückerstattung ist zu begrenzen. Wenn jemand aufgrund der ausserordentlichen Lage innerhalb von kurzer Zeit auf Sozialhilfe angewiesen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Person zuvor in günstigen finanziellen Verhältnissen befunden hat. Daher wird sich die Frage nach der Rückerstattungspflicht in vielen Fällen nicht konkret stellen. In Kantonen und Gemeinden mit strengeren Rückerstattungsregeln ist zu empfehlen, dass die Sozialhilfeorgane bei der Prüfung der Rückerstattungspflicht das ihnen zur Verfügung stehende Ermessen im Sinne der unterstützten Personen ausschöpfen.

 


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