In der Schweiz kann sich fast die Hälfte der Arbeitnehmenden ab 45 Jahren vorstellen, nach der Pensionierung weiterzuarbeiten. Dennoch bleiben heute noch viele Fragen offen. Das Forschungsprojekt «Erwerbstätigkeit nach der Pensionierung» der Berner Fachhochschule hebt sechs wichtige gesellschaftlichen Fragen zum verlängerten Arbeitsleben hervor.
Immer mehr Menschen erreichen in der Schweiz ein hohes Alter, während die Geburtenrate niedrig bleibt. Damit sind wir zu einer sogenannten alternden Gesellschaft geworden. Diese demografische Veränderung bringt weitreichende gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Da die zahlreiche Babyboomer-Generation nun das Rentenalter erreicht, verschärft sich der bereits bestehende Fachkräftemangel. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die staatliche Altersvorsorge zu.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Erwerbstätigkeit 65+ heute eine hohe Aufmerksamkeit erhält. Einerseits entspricht eine längere Laufbahn einem zunehmenden Bedürfnis von älteren Menschen. Andererseits könnte eine längere Erwerbstätigkeit den Fachkräftemangel lindern und zur Stabilisierung der finanziellen Altersvorsorge beitragen.
Die Forschungsagenda wurde in einem iterativen Verfahren entwickelt und berücksichtigt Inputs aus der internationalen Literatur, von Schweizer Fachleuten und dem Forschungsteam. Als Ergebnis wurden sechs Bereiche mit aktuellen Fragen zur Erwerbstätigkeit nach dem Rentenalter identifiziert. Für ein vertieftes Wissen über innovative Möglichkeiten nach dem Rentenalter weiterzuarbeiten, müssen diese Forschungsfragen auf die Schweiz bezogen beantwortet werden.
1. Gesundheit
Wie beeinflusst das Arbeiten nach der Pensionierung die Gesundheit?
Eine Weiterbeschäftigung kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Sie kann aber auch zu körperlichen oder geistigen Gesundheitsproblemen führen. Der Faktor Gesundheit entscheidet, ob jemand über das Rentenalter hinaus arbeitet oder nicht.
2. Wahrnehmungen
Wie werden ältere Arbeitnehmende wahrgenommen?
Wie sehen sich ältere und jüngere Arbeitnehmende selbst? Und wie sehen sie die anderen? Neben der (Selbst-)Wahrnehmung geht es auch um die gesellschaftliche Wahrnehmung: Wie wird das Arbeiten nach dem Rentenalter im politischen Spektrum gesehen?
3. Auf zu einer neuen Stelle
Wie funktionieren Stellensuche und -vermittlung im Alter?
Wie hoch ist das Standard-Pensionsalter in Schweizer Arbeitsverträgen? Wie wirkt sich der zunehmende Arbeitskräftemangel einer alternden Gesellschaft auf den aktuellen Rekrutierungskontext aus? Und inwiefern werden Menschen mit (in-)formellen Altersbeschränkungen konfrontiert?
4. Frühe Entscheidung
Welche Ereignisse beeinflussen die Entscheidung zum Weiterarbeiten?
Viele Menschen entscheiden sich erst kurz vor ihrem regulären Rentenalter definitiv, ob sie danach noch weiterarbeiten. Der Weg zu dieser Entscheidung ebnet sich jedoch schon lange vorher durch frühere private und berufliche Entscheidungen. Welche Rolle spielen dabei Weiterbildungen, die familiäre Situation, Partnerschaft, Umzug und so weiter?
5. Pflege und Betreuung
Wie können Arbeit und informelle Pflege miteinander verbunden werden?
In der alternden Gesellschaft benötigen immer mehr ältere Angehörige informelle Pflege und Betreuung. Welche Faktoren beeinflussen, dass ältere Arbeitnehmende diese beruflichen und privaten Verpflichtungen miteinander verbinden können? Und welche Massnahmen können Sie dabei unterstützen?
6. Unterschiedliche Ausgangslagen
Starten alle am gleichen Ort?
Die Ausgangssituation für ein längeres Arbeitsleben kann bei verschiedenen Personen in den oben genannten Bereiche sehr unterschiedlich sein. Was ist dabei der Einfluss von Geschlecht, Arbeitsbereich, Bildung, familiärem Hintergrund, Migration und weiteren Faktoren?
Kontakt:
- Prof. Dr. Karen Torben-Nielsen, Dozentin, Institut Alter
- Prof. Dr. Jonathan Bennett, Co-Leiter Institut Alter
Artikel und Beiträge:
- Fiche d’information: Travailler après 65 ans : « Oui, volontiers » ou « Non, merci » ?
- Foglio informativo: Lavorare dopo i 65 anni: sì o no?
Projekte und Partner:
2 Kommentare
Max Krieg
Danke für die vielen fragenden Aufzählungen.
Das würde mir aber – sofern ich dann wollte – immer noch keine Entscheidungshilfe sein.
Und dann fehlen Fragen, die ich mir stellen müsste:
– Vor dem Referenzalter Arbeitspensum reduzieren?
– Nach dem Referenzalter volles oder Teil-Arbeitspensum?
– Nach dem Referenzalter gleiche Arbeit oder etwas ganz anderes, z.B. auch in einer untergeordneteren Arbeit? Position?
-Nach dem Referenzalter gleicher Arbeitgeber?
– Wie werden die Arbeitsbedingungen sein? GAV, FAV, NAV?
– Wie verabschiede ich mich dann definitive aus der Erwerbstätigkeit?
– Verhältnis Erwerbstätigkeit / Freiwilligentätigkeit ausserhalb des persönlichen Umfeldes und Entgelt für die Letztere?
Karen Torben-Nielsen
Guten Tag Max Krieg, besten Dank für Ihre Reaktion.
Das sehen Sie richtig, dieser Blogbeitrag ist nicht als persönliche Entscheidungshilfe gedacht. Vielmehr zeigt er auf, welche Fragen auf gesellschaftlicher Ebene spielen. Falls Sie mehr über (u.a.) die persönlichen Entscheidungskriterien für Arbeit nach dem Rentenalter lesen möchten, könnte diese Ausgabe der Zeitschrift Gerontologie.ch spannend sein. Wenn Sie sich vertieft mit diesem Thema auseinandersetzen wollen, sind Sie herzlich willkommen am «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus» , das die Berner Fachhochschule in Kollaboration mit Kompetenzzentrum Loopings September 2024 in mehreren Schweizer Städten organisiert.