Alternde Gesellschaft in Zeitungen: Leid oder Lust?

In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Berner Fachhochschule untersucht zum ersten Mal, wie Zeitungen in der Schweiz über die alternde Gesellschaft und ihre Folgen berichten.

«Alternde Gesellschaft, da geht es vor allem um ältere Leute.» Das ist die Meinung vieler. Wenn sich jedoch die Bevölkerungsstruktur ändert – es einen steigenden Anteil an älteren und einen sinkenden Anteil an jüngeren Menschen gibt – ändert sich auch die sozioökonomische Situation eines Landes. Beispielsweise sollte ein Land mit vielen älteren Einwohnern in die Altersvorsorge investieren oder ein Land mit vielen jüngeren Einwohnern in Schulen. Die gewählte Verteilung der Ressourcen hat somit Auswirkungen auf alle Menschen – sowohl auf ältere wie auch auf jüngere. Daher steckt auch in der öffentlichen Meinungsbildung zum Thema «alternde Gesellschaft» eine gewisse Brisanz.

Der demografische Wandel und seine Auswirkungen können von den Medien unterschiedlich dargestellt werden. Medien können die alternde Gesellschaft beispielsweise eine «wirtschaftliche Katastrophe» nennen, mit einschneidenden Folgen für die Staatsfinanzen aufgrund sinkender Rentenbeiträge. Oder sie können sie als «grosse menschliche Leistung» bezeichnen, da die medizinische Entwicklung der letzten Jahrzehnte es erst ermöglicht, dass wir überhaupt so alt werden. Zudem kann die Medienberichterstattung verschiedenen Personen oder Instanzen Verantwortlichkeit zuweisen, z.B. um Massnahmen zu entwickeln, um die demografischen Herausforderungen anzugehen.

Alternde Gesellschaft bisher ein Expertenthema

Erst wenige Studien untersuchten die mediale Darstellung der alternden Gesellschaft. Die internationalen Resultate zeigen aber, dass diese vor allem als Bedrohung angesehen und aus einer politisch-ökonomischen Perspektive thematisiert wird. Ausserdem dienen primär professionelle Expertinnen und Experten aus Politik, Forschung und Interessenverbänden als Quellen der Berichterstattung. Stimmen aus der Erfahrungswelt von Direktbetroffenen waren in der Minderheit.

Für die Schweiz liegen bislang noch keine derartigen Studien vor. Zurzeit untersuchen nun Forschende unter der Leitung des Instituts Alter zum ersten Mal die Berichterstattung über die alternde Gesellschaft in drei Schweizer Zeitungen. Dabei geht es auch darum herauszufinden, mit welchen Themen die alternde Gesellschaft verknüpft wird: z.B. mit der Anpassung der AHV, die Rekrutierung von Fachkräften im Gesundheitsbereich, Wohngelegenheiten für Ältere und Jüngere, usw. Die repräsentative Stichprobe zeigt, dass die Qualitätszeitung NZZ deutlich mehr Artikel über die alternde Gesellschaft publiziert hat als die ebenfalls untersuchten Zeitungen Blick und 20 Minuten. Das Thema war für die NZZ somit bedeutender als für die anderen Zeitungen.

Auswirkungen in einer direkten Demokratie

Wenn etwas in den Medien kommt, nimmt das Publikum dies als wichtig war. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen das gleiche Ereignis als mehr oder weniger wichtig einstufen, je nachdem was sie darüber gelesen haben, beziehungsweise in welcher Zeitung sie darüber gelesen haben. Medien können mit ihrer Berichterstattung also die öffentliche Meinung beeinflussen, zum Beispiel auch zu Massnahmen, welche die alternde Gesellschaft betreffend. Gerade in der Schweiz, mit ihrer direkten Demokratie, ist dies von besonderem Interesse. Oder so wie der Polit-Forscher Bernard Cohen bereits vor einem halben Jahrhundert sagte: «Die Welt wird für verschiedene Leute unterschiedlich aussehen, je nachdem welche Karte von den Autoren, Redakteuren und Verlegern der Zeitung, die sie lesen, für sie gezeichnet wurde».

Das Projekt «The Swiss Ageing Society»

Eine alternde Gesellschaft kennzeichnet sich durch einen wachsenden Anteil an älteren Personen und einen schrumpfenden Anteil an jüngeren Personen. Dies ist derzeit in der Schweiz der Fall. Unter Leitung des Instituts Alter untersuchen Forschende der Berner Fachhochschule, der Universität Fribourg und der Università della Svizzera italiana, wie die Zeitungen NZZ, Blick und 20 Minuten von Mitte 2014 bis Mitte 2017 über die alternde Gesellschaft der Schweiz berichten. Welche Themen in den Zeitungen erscheinen und welche nicht, welche Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und wer dazu zu Wort kommt. Der Schweizerischer Nationalfonds SNF unterstützt das Projekt mit einem dreijährigen Forschungsbeitrag. Zurzeit laufen die Datenerhebung und -analyse auf Hochtouren. Auf der Projektwebsite erscheinen dazu regelmässig Neuigkeiten. Die Resultate werden in Jahr 2019 publiziert.

 


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2 Kommentare
  • Uschi Regli

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    Da war ein Interview mit Jonathan Bennet von SRF2 Kultur der am 30.6. auf SRF4 News gesendet wurde. Könnten Sie den hier verlinken? Das wär Spitze – danke :-)

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